Bundesverfassungsgericht weist Beschwerde ab

Corona Wiederaufbaufonds: Blaupause für grenzenlose EU-Verschuldung?

GoldGeldWelt Redaktion - 08.12.2022

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil den Corona Wiederaufbaufonds der EU weitgehend abgesegnet. Kritiker befürchten nun eine grenzenlose Verschuldung auf EU-Ebene.

Mit dem Corona Wiederaufbaufonds wollte die EU inmitten der Covid-19 Pandemie ein großes Konjunkturpaket auf den Weg bringen. Technisch handelt sich um einen Fonds, der im Februar 2021 gegründet wurde. Der Fonds zahlt 750 Milliarden EUR an die EU Mitgliedsländer aus. 390 Milliarden EUR werden als Zuschüsse, 360 Milliarden EUR in Form rückzahlbarer Darlehen gewährt.

Corona Wiederaufbaufonds: EU macht Schulden, haftet aber nicht

Finanziert wird der Corona Wiederaufbaufonds durch die Emission von Anleihen durch die EU. Die Anleihen sollen im Zeitraum von 2027-2058 zurückgezahlt werden. Hierzu hat die EU unter anderem neue Steuern beschlossen. Weitere Steuern sind noch in Planung.

Die EU haftet jedoch aus rechtlichen Gründen nicht selbst für die Schulden. Dies überlässt sie ihren Mitgliedsländern. Jedes Land haftet deshalb bis zum Eigenanteil am EU Haushalt. Deutschland etwa haftet für 27 % der 750 Milliarden EUR und damit 202,5 Milliarden EUR. Die Haftung wird relevant, wenn die Rückzahlung nicht wie geplant durch die EU erfolgen kann.

Corona Wiederaufbaufonds: Bundesverfassungsgericht weist Beschwerde ab

Gegen den Corona Wiederaufbaufonds  hatte es viele Vorbehalte und Beschwerden gegeben. Kritiker sehen in dem Fonds eine Blaupause für unbegrenzte Verschuldung auf EU-Ebene. Das Bundesverfassungsgericht hat nun eine Beschwerde gegen den Corona Wiederaufbaufonds zurückgewiesen.

Die Beschwerde berief sich unter anderem auf die EU Verträge. Art. 310 der  Verträge untersagt der EU die eigenständige Schuldenaufnahme. Das Verfassungsgericht kam zu dem Schluss, dass es in der EU zwar ein allgemeines, jedoch kein absolutes Verschuldungsverbot gebe.

Ausnahmsweise sei die Schuldenaufnahme durch die EU erlaubt, wenn es sich um mit einer klaren Zweckbindung versehene Mittel handle und diese Mittel nur außerhalb des Haushalts ausgesetzt werden.

Außerdem müssen die Verbindlichkeiten zeitlichen vom Volumen her klar begrenzt sein (was auf nahezu jede Anleiheemission zutrifft). Kritiker sehen in dieser Begründung „Gummibedingungen“ - so etwa das „Bündnis Bürgerwille“, das Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte.

Karlsruhe hat zudem festgestellt, dass die EU nicht mehr Schulden aufnehmen dürfe, als sie im Haushalt an Eigenmitteln zur Verfügung habe. Kritiker sehen hierin einen Freibrief für höhere EU Ausgaben. So geht das Bündnis Bürgerwille davon aus, dass die EU „künftig ihre Ausgaben verdoppeln kann und die Hälfte dieser Ausgaben in Schattenhaushalten durch Schuldaufnahme finanzieren kann“.

Urteil zum Corona Wiederaufbaufonds: Sondervotum von Peter Müller

Die vom Verfassungsgericht selbst aufgestellten Grenzen hat der Corona Wiederaufbaufonds im Übrigen gerissen. Dies hat auch das Gericht selbst festgestellt. Mit dem Fonds wurden in zwei Haushaltsjahren mehr als doppelt so viele Schulden aufgenommen wie an Eigenmitteln zur Verfügung stünden. Dennoch sei dies rechtmäßig, da es auf die siebenjährige Finanzplanung ankomme.

Anders gesagt: Werden die Mittel auf sieben Jahre verteilt, sind sie geringer als die EU Eigenmittel und damit zulässig. Allerdings soll der Großteil des Geldes bereits im kommenden Jahr vollständig ausgezahlt sein. Das Bündnis Bürgerwelle kommentierte: „Ganz offensichtlich sucht man nach Wegen, die eigenen Kriterien aufzuweichen“.

Summa summarum hat das Bundesverfassungsgericht den Corona Wiederaufbaufonds damit durchgewunken. Laut den Richtern sei zwar nicht auszuschließen, dass mit dem Instrument das allgemeine EU Verschuldungsverbot umgangen werde. Dies sei jedoch „nicht offensichtlich“ der Fall. Dasselbe gelte für das Nichtbeistandsgebot aus Art. 125 AEUV.

Die Richter wiesen die Beschwerde des Vereins Bündnis Bürgerwille mit 6:1 ab. Gegen die Entscheidung stemmte sich lediglich Verfassungsrichter Peter Müller, der ein Sondervotum abgab und den Corona Wiederaufbaufonds wesentlich kritischer sieht.

Seiner Ansicht nach gibt es schwerwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der EU Verschuldung. Der Fall hätte seiner Ansicht nach deshalb dem EuGH vorgelegt werden sollen. Das Verfassungsgericht habe es nicht geschafft, Grenzen für die künftige Kreditaufnahme der EU aufzuzeigen und damit „den Einstieg in eine dauerhafte und grundlegende Veränderung der europäischen Finanzarchitektur ohne die erforderliche primärrechtliche Grundlage“ hingenommen. Das Urteil berge die Gefahr einer substanziellen Entleerung der unionsrechtlichen Kompetenzkontrolle.

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