Ein finanzielles Misstrauensvotum

- 24.05.2017

Halten Sie sich fest! Ich werde Sie jetzt mit einer schockierenden und wahrscheinlich von niemandem vor mir formulierten Beobachtung konfrontieren: Es gibt weltweit sehr auffällige und regelmäßig wiederkehrende Abweichungen zwischen den im Wahlkampf gemachten Versprechen der meisten Politiker und ihren späteren konkreten Handlungen!

Ich weiß, für gut erzogene Bürger wie Sie und mich, für die das verlässliche Einhalten unserer Versprechen einen unumstößlichen Wert darstellt, ist dieser wahrlich skandalöse Affront nur schwer begreiflich und kaum zu ertragen. Doch es geht sogar noch weiter: Es scheint ein Muster, eine Art System zu geben, das unsere ehrenwerten Staatslenker nach der Wahl dazu zwingt, von ihren gut gemeinten Versprechungen abzulassen und den Bürgern wichtige Informationen vorzuhalten beziehungsweise ihnen sogar „alternative Fakten“ und zweckdienliche Deutungen unterzujubeln.

Das beschriebene System heißt natürlich Lobbyismus oder auch Klientelpolitik und wurde bereits auf breiter Ebene von weitaus bedeutenderen Persönlichkeiten als meiner Wenigkeit kritisiert. Ich möchte heute ihr Augenmerk darauf lenken, dass wir in den USA jüngst eine neue Qualität, die nächste Stufe dieser Einflussnahme erreicht haben. Dies ließe sich auch anhand der unzähligen Beispiele von ausgebliebenen Steuer-, Renten- und Koalitionsversprechen aller Regierungsparteien in Deutschland oder von der völligen Missachtung der Maastricht-Kriterien und anderer Vertragsgrundlagen auf europäischer Ebene verdeutlichen, aber ich komme bei diesem Thema einfach nicht an dem medialen „Dauerbrenner“ Donald Trump vorbei.

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass irgendein Staatsoberhaupt jemals in so kurzer Zeit so viele seiner Wahlversprechen gebrochen hätte: Die große Mauer zu Mexico wird in weiten Teilen wohl doch nur ein Zaun und bezahlen muss nun doch „erst mal“ der amerikanische Steuerzahler. Aus der groß verkündeten „lock her up“ -Anklage gegen Hillary Clinton, die als Staatssekretär einen privaten Server für dienstliche Emails verwendet hatte, ist schon bei der Amtseinführung „großer Dank“ und „Respekt“ für ihre Leistungen geworden, ohne jegliche strafrechtliche Konsequenzen für ihr Fehlverhalten.

Trump, der noch im letzten Oktober die Nato als veraltet und „obsolet“ betitelt hat, hält diese seit Anfang April plötzlich für „nicht mehr obsolet“. Er wurde – im Übrigen wie seine beiden Amtsvorgänger – von seinen Wählern für ein Ende der Militäreinsätze und amerikanischen Interventions- und „Regime-Change“-Politik ins Amt gehoben. Die Handlungen entsprechen jedoch dem exakten Gegenteil. Mittlerweile ist der zweite Flugzeugträger-Verband auf dem Weg nach Nord Korea, die Militärausgaben und die Truppenpräsenz im Nahen Osten werden massiv ausgeweitet und es wurden mittlerweile vermehrt Ziele des Assad-Regimes in Syrien direkt angegriffen.

Schaut man sich das Kabinett des wankelmütigen US-Präsidenten an, scheint er sein ursprüngliches „I’ll drain the swamp“ (den Sumpf austrockenen) gegen ein entschiedenes „I’ll rain the swamp“ (den Sumpf wässern) ausgewechselt zu haben: Ein 4-Sterne-General mit dem Spitznamen „Mad Dog“ und dem ausgesprochenen Feindbild Iran wurde zum, übrigens sehr unpassend betitelten, „Sicherheits“-berater ernannt; Rex Tillerson, vor kurzem noch Vorstandsvorsitzender des Öl-Giganten Exxon Mobile, darf nun das Außenministerium leiten und, last but not least, gleich mehrere ehemalige Goldman Sachs Banker haben wichtige Posten bis hoch zum Finanzminister ergattert.

Kurzum: Die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft läuft so rund wie nie zuvor. Oder um bei dem von ihm selbst gewählten Bild zu bleiben: Donald Trump steckt mittlerweile so tief in dem Sumpf aus Rüstungs-, Energie- und Finanzindustrie, dass seine Wähler ihn ganz sicher nicht mehr an seinem „lockeren Schopfe“ auf ihre Seite herausziehen können werden. Ich glaube den Konflikt zwischen dieser präzedenzlos direkten Lobby-Einflussnahme und den grundlegendsten Bürgerinteressen wie Frieden, Umweltschutz oder einem stabilen und gerechten Finanzsystem brauche ich Ihnen hoffentlich nicht mehr näher zu erläutern.

Man kann ja von den Trump-Wählern halten, was man will, aber Sie haben auf demokratische Weise ein eindeutiges Mehrheitsvotum abgegeben - gegen die etablierte Klientelpolitik und für die radikalen Veränderungen, die Ihnen Donald Trump großspurig versprochen hatte. Ob er damals nur den Mund zu voll genommen hat und nun an den politischen Realitäten scheitert oder gar von Anfang an bewusst gelogen hat, spielt im Ergebnis kaum eine Rolle: Die Wähler konnten ihre Interessen erneut nicht gegenüber dem „Big-Business“ durchsetzen.

In Europa und Deutschland greift dieses System glücklicherweise noch nicht so offenkundig und dreist wie aktuell in den USA. Dennoch lässt es sich nicht leugnen, dass auch hier bestimmte Gruppierungen stets ihre Interessen durchzusetzen scheinen, unabhängig davon welche Partei im Wahlkampf die meisten Stimmen erhält. Die Rettung der privaten Banken und ihrer Gläubiger auf Kosten der Steuerzahler in der Finanzkrise wäre dafür eigentlich schon Beleg genug. Aber die Tatsache, dass die eigentliche Ursache für diese und unzählige vorangegangene Krisen, nämlich unser ungedecktes (fraktionelles Reserve-) Kreditgeldsystem nicht einmal Gegenstand des folgenden politischen Diskurses war, spricht diesbezüglich Bände.

Wenn die Amerikaner also selbst mit der Wahl eines der radikalsten „anti-Establishment“-Kandidaten die Politik nicht mehr in Ihrem Sinne beeinflussen konnten, sollte das auch uns eine deutliche Warnung sein. Einerseits, weil damit die größte Wirtschafts- und Militärmacht der Welt in eine unkalkulierbare Richtung mit immensem Schadenspotential gelenkt wird. Andererseits, weil wir uns auch hier keineswegs mehr sicher sein können, dass unsere gewählten Vertreter auch nach der Wahl noch ernsthaft unsere Interessen vertreten werden.

In der logischen Konsequenz sollten wir zukünftig noch misstrauischer gegenüber wohlklingenden aber leider unverbindlichen Worten im Wahlkampf sein und müssten jedes gebrochene Versprechen mit dem nachhaltigen Entzug unseres Vertrauens beantworten, bis wieder verlässliche Verbindlichkeit herrscht. Zwischenzeitig bleibt uns mit der Geldanlage in Edelmetallen noch immer eine Art zusätzliches, finanzielles Misstrauensvotum, da physisches Gold und Silber im Privatbesitz außerhalb des Einflusses von Staat und Banken liegen.

GoldGeldWelt Gastautor

ist Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Filialleiter eines Edelmetallhändlers in Hamburg. Seine Spezialgebiete sind physische Edelmetallinvestments, sowie Blockchain und Kryptowährungen. In seinen Marktanalysen beleuchtet er das wirtschaftspolitische Big Picture.

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