Ölmarkt Analyse

Schwarzes Gold - das größte Konjunkturprogramm aller Zeiten

- 19.07.2017

Öl war und ist der mit Abstand wichtigste Rohstoff für die Weltwirtschaft. Es ermöglicht uns nicht nur den günstigen Transport von Menschen und Waren, sondern ist zudem auch wesentlicher Bestandteil des Produktionsprozesses fast aller Güter. Ohne die mit Öl geschmierten und mit Diesel betriebenen schweren Arbeitsmaschinen wie Bagger, Walzen, Kräne und Traktoren könnten wir kaum noch Rohstoffe gewinnen, Straßen und Häuser bauen oder Land- und Forstwirtschaft betreiben. Doch wir nutzen nicht nur den hohen Brennwert der fossilen Kohlenwasserstoffe. Unzählige chemische, kosmetische und pharmazeutische Produkte und fast alle Kunststoffe basieren ebenfalls auf Bestandteilen von Erdöl, wodurch es sprichwörtlich gleichzeitig Nahrung, Blut und Sauerstoff für den Körper einer modernen Gesellschaft ist.

Entsprechend bedeutsam ist folglich auch der Preis des schwarzen Goldes für das Wirtschaftswachstum und die Inflation – ein Faktor, der meines Erachtens in der öffentlichen Wahrnehmung oft unterschätzt wird. Beispielsweise stieg der Ölpreis in den Jahren vor der Finanzkrise um mehrere hundert Prozent von ca. 30 auf in der Spitze fast 150 Dollar pro Barrel an, wodurch Benzin und Lebensmittel sich spürbar verteuerten. Diese zusätzlichen finanziellen Belastungen trugen zweifelsohne – ebenso wie die gestiegenen Zinsen – zu dem massenhaften Ausfall der sogenannten „Subprime“-Hypothekenschuldner bei, durch den die anschließende Bankenkrise ausgelöst wurde.

Als Folge der krisengeschwächten Nachfrage fiel der Ölpreis bis Anfang 2009 auf unter 40 Dollar pro Barrel zurück, erholte sich aber anschließend wieder recht schnell gemeinsam mit der, dank extrem lockerer Geldpolitik und beispielloser Staatseingriffe wieder stabilisierten Weltkonjunktur. Zwischen 2011 und 2014 pendelte sich der Kurs dann um durchschnittlich 110 Dollar pro Barrel ein, stürzte dann aber, entgegen den Erwartungen und trotz weiter steigender globaler Nachfrage erneut ab – dieses Mal sogar auf unter 30 Dollar das Barrel im Januar 2016. Seither konnte die wichtige 50 Dollar Marke nicht mehr nachhaltig durchbrochen werden.

Dieser anhaltende Preisrückgang will nicht zu der bis dahin allgemein anerkannten „Peak Oil Theorie“ passen, die schon vor Jahren das Erreichen eines unumkehrbaren Fördermaximums prognostizierte. Es wurde angenommen, dass das natürlich begrenzte Erdölangebot nicht mit dem stetig steigenden Öl-Hunger der wachsenden Weltwirtschaft mithalten könne und immer höhere Preise die Folge wären. Nachdem der Markt jetzt bereits das zweite Mal in den vergangenen 10 Jahren von den starken Preisrückschlägen des schwarzen Goldes überrascht wurde, beginnt man an der alten Theorie zu zweifeln und diskutiert die unterschätzten Einflussgrößen.

Zunächst haben die höheren Preise die Erschließung von bis dahin unrentablen Vorkommen wie beispielsweise der kanadischen Ölsande oder Tiefseelagerstätten im Golf von Mexiko ermöglicht. Unkonventionelle Fördermethoden, allen voran das sogenannte Fracking, wurden weiter entwickelt, massiv ausgebaut und erhöhten so das Angebot und die theoretischen Reserven. Gleichzeitig hat der technologische Fortschritt in vielen Bereichen die Förderkosten deutlich abgesenkt und diese auch bei niedrigerem Preisniveau konkurrenzfähig gemacht. Zu guter Letzt stellen die erneuerbaren Energien, Energiesparmaßnahmen und die Elektromobilität das Primat dauerhaft steigenden Ölverbrauchs grundsätzlich in Frage.

Doch noch steigt die globale Nachfrage vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern von Jahr zu Jahr weiter an und die Preise sind mit unter 50 Dollar pro Barrel für viele Produzenten im äußerst kritischen Bereich. Deshalb führen Experten den aktuellen Angebotsüberschuss wesentlich auf den enormen Boom beim US-Shale-Markt (Fracking aus Schiefergestein) zurück. Die Vereinigten Staaten haben sich damit binnen weniger Jahre von einem der größten Energie-Importeure zum Exporteur gewandelt und den gesamten Ölmarkt auf den Kopf gestellt.

Ich werde im zweiten Teil dieses Artikels noch begründen, warum dieser Angebotsüberschuss und der daraus resultierende Preisrückgang in meinen Augen kein Zufall ist, sondern bewusst politisch herbeigeführt wurde. Wirtschaftlich gesehen hat der hervorgerufene niedrige Ölpreis die Auswirkungen eines gigantischen, weltweiten Konjunkturprogrammes. Mit Ausnahme der Ölfördernationen und Teilen der Ölindustrie profitieren Staaten, Produzenten und Konsumenten enorm von der künstlich billigen Energie.

Bei dem aktuellen Verbrauch (ca. 98 Millionen Barrel pro Tag) entspricht der Preisrückgang um fast 60 Dollar pro Barrel seit 2014 Einsparungen in Höhe von rund 2 Billionen Dollar im Jahr. Prognosen schätzen das Wachstum der Weltwirtschaft für 2017 gerade mal auf 2,7 Billionen Dollar. Auch wenn es stark vereinfacht ist: Betrachtet man diese Relation, ist es glaube ich nicht übertrieben wenn ich bis zur Fortsetzung in zwei Wochen abschließend festhalte, dass die überschuldete Weltwirtschaft ohne diese Unterstützung vermutlich bereits heute in argen Schwierigkeiten wäre.


HIer geht es zum zweiten Teil des Artikels.

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GoldGeldWelt Gastautor

ist Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Filialleiter eines Edelmetallhändlers in Hamburg. Seine Spezialgebiete sind physische Edelmetallinvestments, sowie Blockchain und Kryptowährungen. In seinen Marktanalysen beleuchtet er das wirtschaftspolitische Big Picture.

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