Es läuft derzeit rund an den Märkten. Insbesondere in den USA beflügelt der „Trumptrade“ weiterhin die Phantasien der Anleger und treibt die Indizes Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq von einem Rekord zum nächsten. Aber auch die Kurse der anderen wichtigen Handelsplätze von London und Zürich über Paris und Frankfurt bis nach Shanghai und Tokyo klettern stetig vor sich hin und halten sich wacker in der Nähe ihrer Mehrjahreshochs. Es scheint fast so, als würden all die politischen Hiobsbotschaften und schwachen Wachstumszahlen im Welthandel aus den vergangenen Jahren wirkungslos an den Märkten vorüber ziehen.
Doch auch die Edelmetalle müssen sich mit Ihrer bisherigen Jahresperformance keineswegs verstecken. Mit stattlichen 10 bzw. 15 Prozent Zuwachs konnten Gold und Silber die Bodenbildung zum Jahreswechsel nachhaltig bestätigen und seither einen erstaunlich konstanten Aufwärtstrend verzeichnen. Selbst die immer konkretere Aussicht auf weitere Zinsanhebungen in den USA konnte diese Bewegung kaum stören, obwohl solche Nachrichten noch in den vergangen beiden Jahren regelmäßig starke Kursrücksetzer auslösten.
In diesem Zusammenhang wurde ich neulich gefragt: „Herr Mißfeld, wie kann es sein, dass aktuell Gold und Aktien gleichzeitig steigen?“ Die Antwort fiel so kurz wie einfach aus: „Inflation!“. Mein Gegenüber bezog sich auf eine Studie, nach der man Verluste bei Aktien oftmals durch einen gleichzeitigen Goldpreisanstieg ausgleichen konnte – sofern man denn welches besaß. Fälschlicherweise hatte er aus diesem Zusammenhang den Umkehrschluss gezogen, dass der Goldpreis bei steigenden Aktienkursen fallen müsste.
In einem funktionierenden Geldsystem dürfte diese Gesetzmäßigkeit sogar meistens zutreffen. Die verschieden Anlageklassen müssten um die begrenzten Anlagemittel konkurrieren wodurch der Zufluss in die eine Klasse automatisch den Abfluss aus einer anderen bedeuten würde. Eine gute Wirtschaftslage mit steigenden Unternehmensgewinnen sollte die Renditen der Aktien ansteigen lassen und damit die Anleger dazu bewegen, ihr Kapital aus dem renditelosen Edelmetall umzuschichten. Im Falle eines wirtschaftlichen Abschwungs wiederum steigen die Ausfall- und Verlustrisiken von Aktieninvestments, weshalb die Nachfrage nach dem krisensicheren Gold ansteigen müsste.
Wir haben jedoch kein funktionierendes Geldsystem: In unseren, weltweit sehr ähnlich strukturierten, ungedeckten Kreditwährungssystemen wird die Geldmenge kontinuierlich weit über den wirtschaftlichen Bedarf hinaus ausgeweitet, mit nur wenigen kurzfristigen Unterbrechungen. Diese Überschussliquidität kann, wie aktuell der Fall, gleichzeitig als zusätzliche Nachfrage nach verschiedenen Vermögensklassen auftauchen und somit deren Preise auf breiter Front ansteigen lassen.
Es sind diese permanenten und sich ausweitenden „Marktunterstützungen“ der Notenbanken, die alte Gesetzmäßigkeiten aus der Wirtschaftstheorie, wie beispielsweise die oben beschriebene Wechselbeziehung zwischen Gold und Aktien in den Hintergrund drängen. An ihre Stelle treten neue Gesetze, oder besser noch „Glaubenssätze“: Das finanzmathematische Modell zur Berechnung des fairen Marktpreises einer Aktie (mit dem Fokus auf die erwartete Gewinnentwicklung) wird plötzlich um „veränderte fundamentale Treiber“ (Barclays) ergänzt, um die überdurchschnittlichen Bewertungsniveaus zu rechtfertigen. An die Stelle des extrem wichtigen Faktors Risiko tritt das unbedingte Vertrauen auf die ewige Fortsetzung der geldpolitischen Unterstützung durch die Zentralbanken oder die Rettung durch den Staat.
Das bringt mich zu dem wesentlichen Unterschied zwischen Edelmetallen und Aktien: Das Risiko. Denn obwohl aktuell beide von der „Geldflut“ der Zentralbanken profitieren, werden sie in kritischen Marktphasen nie den gleichen Gesetzen folgen. Gold und Silber beinhalten im Gegensatz zu Aktien kein Ausfallrisiko. Zudem müssen sie keine Gewinne erwirtschaften, um ihren Wert zu erhalten, können dafür aber auch im Gegenzug keine Dividenden ausschütten. Der Wert einer Aktie muss sich immer auch am erwarteten Gewinn orientieren. Ganz gleich, wie viel Geld eine Notenbank ins System gibt, ein insolventes Unternehmen bleibt weitestgehend wertlos.
Während die Edelmetallkurse also mehr oder weniger unabhängig von der Wirtschaftslage gemeinsam mit der Geldmenge ansteigen können, hängen die Aktienkurse wesentlich davon ab, ob dieses zusätzliche Geld auch zu Wachstum und Gewinnen führt. Und genau da könnten wir Zeuge eines kritischen Wendepunktes sein, denn das auf dem Weg der Kreditvergabe in Umlauf gebrachte Geld erzeugt auf globaler Ebene immer weniger Wachstum und reicht vielerorts bereits jetzt gerade noch dazu aus, um den Status Quo aufrecht zur erhalten.
Selbst China, dessen solides Wachstum im vergangen Jahrzehnt die Hauptantriebsfeder für die Weltwirtschaft war, konnte seine (vermutlich stark geschönten) 6,8 % Zuwachs nur dank eines enormen Schuldenwachstums in Höhe von knapp 5 Billionen US-Dollar erreichen (so viel die USA, Japan und Europa zusammen). Solche Exzesse führen in der Finanzwelt zwangsweise zu Blasenbildungen (In China sind es vor allem die Immobilienpreise) und je länger sie andauern, desto höher wird das Risiko, dass sie außer Kontrolle geraten und platzen.
Auch die rekordverwöhnten US-Aktien-Märkte zeigen deutliche Anzeichen einer Blase im späten Stadium. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 lag in der Vergangenheit bei 15, aktuell beträgt es über 26,5! Erst dreimal in der Vergangenheit (1893, 2000, 2008) wurden die US-Aktien so hoch bewertet - immer in engem zeitlichen Zusammenhang mit einem großen Marktcrash. Und jedes Mal war der Faktor Hoffnung im Vorfeld eine wesentliche Triebkraft – genau wie aktuell bei den Trumponomics.
Es ist aber auch durchaus möglich, dass die Hausse an den Märkten noch einige Zeit weiter läuft, schließlich sind diverse Zentralbanken mittlerweile sogar dazu übergegangen, die Aktien direkt mit frischem Geld zu kaufen (Dazu im nächsten Marktbericht mehr). Anleger sollten sich jedoch bei all dem Vertrauen in die fortgesetzte Liquiditätsschwemme über das Chancen-Risiko-Verhältnis bewusst sein. Für die Aktienkurse scheint die Decke daher mittlerweile deutlich näher gerückt zu sein, als der Boden. Bei den Edelmetallen dürfte es genau andersherum sein, berücksichtigt man die enormen Geldmengenausweitungen und stetig steigenden Förderkosten.