Aktienrekorde aus der Notenpresse

- 16.03.2017

Ich glaube kaum ein Finanzmarktexperte wird mir widersprechen, dass nahezu jeder Aktienkurs ohne die extremen Markteingriffe der Zentralbanken seit der Finanzkrise heute wesentlich tiefer stünde. Um Ihnen ein Gespür dafür zu geben, wie massiv der Einfluss und damit auch die Abhängigkeit von einer Fortsetzung dieser ultra-lockeren Geldpolitik ist, möchte ich Ihnen heute einige Beispiele dafür geben, auf welchen Wegen die Zentralbanken die Nachfrage nach Aktien und folglich deren Preise künstlich erhöht haben:

Beginnen wir mit der ersten Gegenreaktion der Währungshüter auf die Finanzkrise: Die Rettung der in Schieflage geratenen Geschäftsbanken durch die schnellen Liquiditätshilfen der Zentralbanken und die Übernahme der faulen Kredite aus den Bankbilanzen durch den Staat (Bail-Out). Auch wenn es offensichtlich ist, schadet es dennoch nicht, sich diesen Umstand in aller Deutlichkeit von Zeit zu Zeit wieder ins Gedächtnis zu rufen. Ohne die Rettung durch die Steuerzahler wäre unbestritten ein Großteil des Banken- und Geldsystems kollabiert. Aktien wären vermutlich mangels funktionierender Märkte weitestgehend unverkäuflich und damit solange nicht verwertbar gewesen, bis ihnen ein Systemneustart neues Leben eingehaucht hätte.

Willkommen in der Alternativlosigkeit, die uns unser fehlerhaftes fraktionelles Reserve- und ungedecktes Kreditgeldsystem aufbürdet. Das Positive daran ist, dass weder Politik noch Wirtschaft ein Interesse an einem solchen Totalausfall und dem resultierenden Kontrollverlust hätten. Wir können uns daher auch zukünftig darauf verlassen, dass das Bankensystem im Ernstfall durch Staatseingriffe und die Notenpresse gerettet werden wird (ein Umstand den übrigens auch die Aktienmärkte großzügig einpreisen, in dem sie dieses Risiko nicht berücksichtigen). Es sei denn natürlich, es käme irgendein unkalkulierbarer „Trumpel“ an die Macht, der dieses System entweder nicht versteht, oder sogar bewusst „vor die Wand“ fahren lässt. Dann wäre wohl nicht nur „Holland in Not“...

Jedenfalls wurden die Leitzinsen in Folge der Krise weltweit auf historische Tiefststände abgesenkt, um überschuldungsbedingte Zahlungsausfälle zu verhindern und die ins Stocken geratene Kreditvergabe wieder anzukurbeln. Ohne Frage wurden durch diese Maßnahme die Rezession wesentlich abgeschwächt und die Verluste an den Börsen enorm eingegrenzt.

Seither können sich die Geschäftsbanken nahezu zinsfrei bei ihrer Zentralbank mit Liquidität versorgen. Von diesem Ausgangspunkt erreichte das Geld auf zwei verschiedenen Wegen die Aktienmärkte. Einerseits investieren die Banken im sogenannten Eigenhandel nebst anderen Anlagen auch direkt in Aktien. Je günstiger sie sich selbst verschulden können und je schlechter verzinst die Alternativanlagen sind, desto attraktiver werden selbst hoch bewertete Aktien mit kleinen Renditen. Eine Gesetzmäßigkeit, die im Übrigen auch auf Privatanleger zutrifft, insbesondere wenn diese mit Fremdkapital spekulieren.

Andererseits können die Banken ihren Zinsvorteil dazu nutzen, um ihn bei der Kreditvergabe an ihre Kunden weiter zu reichen. Privathaushalte und Unternehmen waren durch diese günstigen Konditionen in der Lage, die bereits vor der Krise zu hohen Schuldenstände weiter zu bedienen und in vielen Bereichen sogar noch weiter auszubauen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich muss mich immer noch daran gewöhnen, dass man eine Immobilie derzeit, je nach Zinsbindung, für lächerliche 1 bis 2 Prozent finanziert bekommt. Durch diese aus dem Nichts geschaffenen Kreditgeldmilliarden haben sich die Immobilienpreise in gefragten Lagen binnen der vergangenen 10 Jahre teilweise mehr als verdoppelt. Und jetzt fragen Sie sich mal, wo der gut bezahlte Makler, der Hausvorbesitzer und der ausgebuchte Bauunternehmer seine Einkünfte in Zeiten dieses historischen Anlagenotstands angelegt haben.

Viele Unternehmen wären ohne das Zinsgeschenk der Notenbanken binnen kurzer Zeit nach der Krise an Ihrem Schuldendienst zusammengebrochen, was erfahrungsgemäß eher schlecht für die Aktienperformance gewesen wäre. Stattdessen wurden alte, hoch verzinste Anleihen durch neue Niedrigzinscoupons ersetzt, die Kapitalkosten auf diese Art langfristig gesenkt und das Unternehmensergebnis wesentlich verbessert. Das schaffte neuen Spielraum für höhere Dividendenzahlungen und zusätzliche Verschuldung. Einige Unternehmen, wie beispielsweise Exxon Mobil, nahmen unterm Strich Schulden auf, um ihre Dividenden halten oder sogar erhöhen zu können.

Das bringt mich zu einem weiteren sehr gewichtigen Punkt: Mangels rentabler Investitionsmöglichkeiten haben unzählige Unternehmen ihre liquiden Mittel in massive Aktienrückkaufprogramme investiert. Dies trieb zum einen – in Form direkter Nachfrage – die Kurse weiter in die Höhe und verteilte zum anderen den zukünftigen Gewinn auf weniger ausstehende Aktien. Nebst dem Zinsvorteil auf der Kostenseite hängt der Gewinn bekanntlich wesentlich vom Umsatz ab und dieser stammt wiederum zu einem beträchtlichen Teil aus schuldfinanziertem Konsum. Die überall beworbene 0% Finanzierung ist natürlich nicht nur ein großzügiges Marketing-Geschenk, sondern in der Regel durch die günstigen Leitzinsen überhaupt erst möglich.

Als interessierte Anleger wissen Sie natürlich auch, dass die Zinssenkungen allein nicht ausreichten, um das System am Laufen zu halten. Kurz darauf haben die Zentralbanken weltweit über sogenannte „Assetkaufprogramme“ (QE) die Anleihen der, durch die Bankrettungen mittlerweile selber in Not geratenen, Staaten mit frischem Geld aufgekauft. Schuldenmonetisierung heißt dieser geniale „Aus-alten-Schulden-mach-neues-Geld“-Taschenspielertrick, der auf breiter Front die Zahlungsunfähigkeit von Nationalstaaten verhinderte und gleichzeitig deren Zinsdienst enorm erleichterte.

Dieselben Staatsanleihen lagen zuvor noch wie Blei mit beträchtlichen Buchverlusten in den Bilanzen der Banken, Versicherungen und Privatanleger. Jetzt wurden sie wieder zu gewinnträchtigen Anlagen und ihr Verkauf an die Zentralbanken spülte neues Geld in die Kassen ihrer Vorbesitzer, welches unter andere auch für Aktienkäufe verwendet wurde. Diese Kaufprogramme wurden später noch um Unternehmensanleihen ausgeweitet, was den bereits beschriebenen Zinsentlastungseffekt zusätzlich verstärkte.

„Last but not least“ darf auch die unverhohlenste Methode der Aktienmarktstützung in diesem Artikel nicht unerwähnt bleiben: Indirekte und direkte Aktienkäufe aus der digitalen Notenpresse. Indirekt ist die Bank of Japan unangefochtener Vorreiter, indem sie in großem Stile breit gestreute Indexfonds (ETFs) auf den Nikkei erwirbt. Das Kaufvolumen ist dabei so groß, dass sie noch in diesem Jahr zum größten Aktienhalter bei 55 der 225 im Nikkei gelisteten Unternehmen aufsteigen wird.

Direkt, in Form von global gestreuten Einzelaktienkäufen, engagieren sich unter anderem die Nationalbanken der Schweiz und Dänemark, um ihre Risiken breiter zu streuen. Doch auch andere Institutionen des öffentlichen Sektors haben dank der einmaligen Refinanzierungsmöglichkeiten die Gelegenheit ergriffen und in Aktien investiert. Chinas staatliche Devisenverwaltung ist laut einem Bericht der Financial Times still und heimlich zum weltweit größten öffentlichen Halter von Unternehmensbeteiligungen aufgestiegen. Auf insgesamt 29,1 Billionen US Dollar schätzt dieser Bericht das Gesamtvolumen der Investments durch den öffentlichen Sektor.

Auch wenn in diesem eingeschränkten Rahmen nur die Oberfläche der verschiedenen Mechanismen angekratzt werden konnten, so hoffe ich doch, Ihnen ein grobes Bild der unzähligen zentralbankgestützten Geldströme in Richtung der Aktienmärkte vermittelt zu haben. Geld, dass es zu großen Teilen ohne die ultra-lockere Geld- und Rettungspolitik nie gegeben hätte und von dem die Märkte wahrscheinlich viel abhängiger sind, als ihre Teilnehmer es wahr haben wollen.

GoldGeldWelt Gastautor

ist Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Filialleiter eines Edelmetallhändlers in Hamburg. Seine Spezialgebiete sind physische Edelmetallinvestments, sowie Blockchain und Kryptowährungen. In seinen Marktanalysen beleuchtet er das wirtschaftspolitische Big Picture.

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