Staatsschulden in Höhe von 180 % des Bruttoinlandsproduktes

Die griechische Tragödie

- 15.02.2017

Das Drama in Griechenland verlängert sich um einen weiteren Akt und ich komme nicht umher, deutliche Parallelen zu der Mythologie des ewig bestraften König Sysiphus zu erkennen: Wieder und wieder schieben die armen Griechen einen riesigen Brocken aus harten Reformen vor sich her, nur um oben angekommen hilflos dabei zusehen zu müssen, wie er den unbezwingbaren Berg aus Schulden erneut hinab rollt und dabei gleich jegliche Hoffnung auf baldige Besserung mit sich in die Tiefe reißt.

Bei anhaltend niedrigen Wachstumsraten, einer Arbeitslosigkeit von 23% und Staatsschulden in Höhe von 180 % des Bruttoinlandsproduktes stellt sich die Frage, wovor „wir“ die Griechen eigentlich gerettet haben. Letztendlich enthielten diese großzügig gewährten „Hilfspakete“ bis auf wenige Ausnahmen nichts weiter als neue, zusätzliche Kredite. Von diesen Mitteln ist ein Bärenanteil in Form von Zins und Tilgung direkt wieder im ewigen Hardes der Bestandsschulden verschwunden und stand den Griechen damit zu keinem Zeitpunkt für den tatsächlichen Aufbau Ihrer Wirtschaft zur Verfügung. Es widerspricht einfachster Logik, ein Schuldenproblem durch weitere Schulden lösen zu wollen, aber dieser Weg scheint dennoch - und bei weitem nicht nur im Falle Griechenlands - das bevorzugte Mittel im Kampf gegen die stetig zunehmende Überschuldung zu sein.

Sieben Jahre nach dem ersten „Hilfspaket“ droht der Notleidende noch immer zu ertrinken, während sich die selbstgefällige Troika aus Europäischer Zentralbank, Kommission und Internationalem Währungsfonds wieder einmal nicht über die Richtung einigen kann, in der am Rettungsseil gezogen werden soll. Die jüngsten Verhandlungen über Auszahlungen im Rahmen des dritten Rettungspaketes sind ins Stocken geraten nachdem der IWF zu einer „bahnbrechenden Erkenntnis“ gelangt ist: Griechenland hat ein untragbares Verschuldungsniveau erreicht und wird sich ohne einen Schuldenschnitt nicht aus eigener Kraft erholen können. Für den ansonsten gegenüber Schuldnern sehr unnachgiebigen IWF eine erstaunlich zweckdienliche Forderung. Leider stößt diese „Gnosis“ bei dem Rest der Troika auf wenig Verständnis, weshalb sie nur wenig Aussicht auf Erfolg hat.

Vor allem die Bundesregierung widerspricht entschlossen, sieht die zukünftige Entwicklung weitaus optimistischer und pocht auf die Einhaltung der Regeln. Und sie tut dies - insbesondere im Wahljahr - aus nachvollziehbarem Motiv, sind doch nach den Rettungsversuchen die Risiken größtenteils von privaten in öffentliche Hände gewandert. Während eine (Teil-)Abschreibung der griechischen Schulden noch vor 7 Jahren vor allem private Investoren und Banken getroffen hätte, würde sie nun hauptsächlich die Steuerzahler der Gläubigernationen treffen, von denen die BRD naturgemäß die größte ist (27% Anteil am ESM und 18% an der EZB). Zumal ein Schuldenschnitt dem Öffnen der „Büchse der Pandora“ gleich käme, berücksichtigt man die Situation in den anderen südlichen Euro-Ländern, die sich nur allzu gerne Ihrer ebenfalls drückenden Schuldlasten entledigen würden.

In diesem Licht verstehen sich die auffällig optimistischen Prognosen der Bundesregierung und der Kommission als eine Art Selbstschutz. Ein Blick auf die Entwicklung internationaler Schuldenquoten in der Vergangenheit zeigt, dass diese mit wenigen Ausnahmen nur eine Richtung kennen und kaum ein Staat je aus eigener Kraft in der Lage war, seine Verschuldung (relativ zum Bruttoinlandsprodukt) nachhaltig abzusenken. Dass nun ausgerechnet Griechenland dieses Kunststück gelingen soll, nachdem fast die Hälfte der Jugend schon seit Jahren nicht mehr am Arbeitsmarkt teilnimmt und viele der gut Ausgebildeten längst das Weite gesucht haben, scheint utopisch.

Gleichzeitig wird von allen, außer natürlich der Regierung Tsipras, stur an dem Irrweg festgehalten, in die Krise hinein zu sparen. Ich will hier nicht grundlegend den Sinn von gezielten Reformen und Einsparungen in Frage stellen, aber breit angelegte Ausgabenkürzungen inmitten einer Rezession entziehen der Wirtschaft nachweislich die dringend benötigte Liquidität und verschlimmern die Lage noch zusätzlich. Ein Wirkungszusammenhang, der vor allem dem IWF aus seinen früheren „Rettungseinsätzen“ noch gut bekannt sein müsste. Wirklich erfolgreich war er leider nur bei der Privatisierung von Staatseigentum und weniger bei der Abmilderung der jeweiligen Krise oder gar der Sanierung der Wirtschaft.

„Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ lautet ein hierzu passendes Zitat von Albert Einstein, doch es ist wohl zu einfach gedacht, den Beteiligten Irrationalität oder gar Inkompetenz vorzuwerfen. Offensichtlich ist jedoch, dass jede Partei ihre eigene, nicht immer eindeutige Agenda verfolgt und diese augenscheinlich nur wenig mit der altruistischen Hilfe für Griechenland zu tun hat. Eine verlässliche Vorhersage ist bei dieser hoch komplexen Gemengelage kaum noch möglich. Vom Schuldenschnitt über den Grexit bis zur Aufgabe der Austerität bleibt alles im Bereich des Möglichen, einzig die Selbstgesundung halte ich wie beschrieben für höchst unwahrscheinlich. Gleich welche Wendung die Geschichte noch nehmen wird, aller Voraussicht nach bleibt es eine Tragödie - für Griechenland und den Euro.

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GoldGeldWelt Gastautor

ist Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Filialleiter eines Edelmetallhändlers in Hamburg. Seine Spezialgebiete sind physische Edelmetallinvestments, sowie Blockchain und Kryptowährungen. In seinen Marktanalysen beleuchtet er das wirtschaftspolitische Big Picture.

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