Sparen lohnt sich nicht mehr

Die verborgene Inflation

- 20.09.2016

Für Sparer sind es wahrlich schwere Zeiten. Es gibt praktisch keine nennenswerten Zinsen mehr auf Anlagen, die als sicher gelten, und selbst unsichere Investitionen werfen kaum genug Rendite ab, um das enthaltende Ausfallrisiko auszugleichen. Zeitgleich versuchen die Zentralbanken weltweit ihr Bestes, um die Kaufkraft unserer Währungen weiter zu schwächen. Allgemein gelten 2 Prozent Inflationsrate als langfristiges Ziel ihrer Geldpolitik und stehen dabei für die angestrebte Geldwertstabilität – was in meinen Augen bereits einen Widerspruch in sich darstellt.

Konkret würde das für den risikoscheuen Sparer im aktuellen Nullzinsumfeld bedeuten, dass sich die Kaufkraft seiner Rücklagen binnen 35 Jahren halbieren würde, sollten die Zentralbanken ihr selbstgesetztes Ziel erreichen. Vor wenigen Wochen brachte der Präsident der San Francisco Fed, John Williams, sogar eine Anhebung des Inflationsziels auf über 4 Prozent ins Gespräch, was einer Halbierung des Geldwertes innerhalb von nur 17 Jahren gleich käme. Damit wären Geldguthaben ähnlich gut zur Altersabsicherung geeignet wie ein löchriger Sparstrumpf.

Inflation ist im Endeffekt nichts anderes als schleichender Diebstahl. Sparer und Einkommensbezieher sind die ahnungslosen Opfer, die von der sukzessiven Enteignung aufgrund der zeitlichen Verzögerung kaum etwas mitbekommen. Zentralbanken, Geschäftsbanken und Staaten sind die heimlichen Gewinner, da sie die Unmengen ungedeckten Geldes aus dem Nichts erschaffen und als erste im Wirtschaftskreislauf ausgeben können - noch bevor es an Wert verliert.

Gleichzeitig profitieren Banken und Staaten als größte Schuldner: Der realwirtschaftliche Gegenwert Ihrer Verbindlichkeiten nimmt - analog zu den Guthaben der Sparer – durch die Inflation kontinuierlich ab. Je größer die Schulden im Verhältnis zur realen Wirtschaftsleistung werden, desto niedriger müssen die Zinsen sein, um Zahlungsausfälle zu verhindern und desto dringlicher müssen die Schulden durch inflationäre Geldpolitik entwertet werden. Das ist der wahre Grund, weshalb wir in unseren überschuldeten Kreditgeldsystemen dauerhaft Inflation benötigen.

Bei dieser Interessenslage ist es dann auch kaum verwunderlich, dass die von den Zentralbanken angewandten statistischen Methoden zur Berechnung der Inflationsrate diese teilweise deutlich niedriger erscheinen lassen. Auf diese Weise wird das wahre Ausmaß der verursachten Geldentwertung verschleiert. Wie viel Immobilie, Aktie, oder Staatsanleihe bekommen Sie denn heute noch für „Ihre 100.000 Euro von vor 20 Jahren“? Diese Inflation der Vermögensgegenstände bleibt in der Berechnung beispielsweise vollständig unberücksichtigt.

Doch selbst wenn man - trotz stark steigender Strompreise, regelmäßiger Fahrpreiserhöhungen in Bussen und Bahnen oder dem neuen Zigarettenpreisniveau jenseits von 5 Euro - diesen Statistiken glauben schenkt und annimmt, dass wir von der Eurozone über Japan bis hin zur USA in den letzten Jahren keine nennenswerte Inflation hatten, war der Schaden der „Billig-Geldpolitik“ für uns Verbraucher immens.

Eigentlich hätten die Preise vieler Güter in den letzten Jahrzehnten nämlich nicht nur nicht steigen dürfen, sondern deutlich fallen müssen. Diese „verborgene Inflation“ kommt dadurch zustande, dass der inflationären Geldpolitik der Zentralbanken diverse, eigentlich preissenkende Faktoren entgegenwirken. Ich möchte Ihnen hierfür ein paar Beispiele nennen:

Im Rahmen der Globalisierung sind unzählige hochbezahlte Industriearbeitsplätze in Billiglohnländer wie beispielsweise China abgewandert. Die ersten Unternehmen verlagerten Ihre Produktionsstätten noch, um dank der Kostenvorteile ihren Gewinn oder Marktanteil zu erhöhen. Die zögerlicheren Konkurrenten mussten ihnen dann jedoch recht schnell folgen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Schlussendlich sind in vielen Industriezweigen teure sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer gegen sehr billige Arbeiter ohne jegliche Alters-, Renten- und Krankenabsicherung getauscht worden. Doch damit nicht genug: Zeitgleich wurden kostspielige Umweltauflagen umgangen und hohe Steuerzahlungen durch Verschiebung der Gewinne in Steueroasen vermieden. Wenn wir schon auf Moral und Ethik verzichten und auf Kosten der Zukunft leben, hätten wir doch wenigstens in der Zwischenzeit von den sinkenden Preisen profitieren können, oder was meinen Sie?

Auch der technische Fortschritt hätte uns eigentlich materiellen Wohlstand durch günstigere Preise bescheren müssen. Computer haben die Arbeitswelt binnen weniger Jahre vollständig revolutioniert und erledigen heute die Denk- und Rechenarbeit von Hunderten bis Tausenden. Fast alles wird zunehmend effizienter und durch den vermehrten Einsatz von Maschinen hergestellt, was die Kosten deutlich senkt. Während ein Landwirt im Jahr 1949 nur 10 Menschen versorgte, sind es heute bereits 145!

„Last but not least“ haben unsere Zentralbanken höchst persönlich wesentlichen Abwärtsdruck auf die Preise ausgeübt, indem sie die Zinsen abgesenkt und die Märkte massiv gestützt haben. Vor der Finanzkrise musste ein Schuldner seinen Gläubigern einen dem Risiko angemessenen Zins erwirtschaften. Heute können sich Staaten und Aktiengesellschaften teilweise zu negativen Zinsen Geld am Markt leihen. Nach früheren Standards insolvente Unternehmen konnten so künstlich am Leben gehalten werden. Diese „Zombie-Produzenten“ verhindern allerdings die notwendige Bereinigung des Marktes und führen so zu massiven Überkapazitäten. Und was verursacht ein zu hohes Angebot? Richtig! Langsam verstehen wir uns: Es senkt die Preise. Der gesunkene Ölpreis ist ein mächtiges Beispiel hierfür und hätte eigentlich auch auf die Endproduktpreise für uns Verbraucher durchschlagen müssen.

Im Falle einiger Branchen wie der Schifffahrt müssen sogar nur geringere Verluste erwirtschaftet werden als bei der Konkurrenz, um am Leben gehalten zu werden. Die insolvente Hanjin Reederei, die zuvor jahrelang vom südkoreanischen Staat gestützt wurde, wäre nur eine von vielen Pleiten in der Containerschiffahrt, würden die Banken und Staaten in anderen Ländern ihre Hilfen ebenfalls einstellen und zu normalen Finanzierungs- und Abschreibungsstandards zurückkehren. Jedenfalls bleiben dank des Überangebots die Frachtraten extrem niedrig, was die billig produzierten Güter nun auch noch günstiger zu uns bringt.

Warum also können wir uns trotz all dieser Kostensenkungen nicht endlich nach einer 5-Stunden-Arbeitswoche zurücklehnen und den Rest der Arbeit die Maschinen und Computer erledigen lassen, wie es rechnerisch inzwischen möglich sein müsste? Nun, Sie ahnen es bereits: Neben unseren gestiegenen Konsumansprüchen und der reduzierten Besteuerung der Kapitaleinkommen ist vor allem die verborgene Inflation schuld. Richten Sie Ihre Beschwerdebriefe daher bitte direkt an die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main zu Händen Herrn Marion Draghi.

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GoldGeldWelt Gastautor

ist Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Filialleiter eines Edelmetallhändlers in Hamburg. Seine Spezialgebiete sind physische Edelmetallinvestments, sowie Blockchain und Kryptowährungen. In seinen Marktanalysen beleuchtet er das wirtschaftspolitische Big Picture.

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