Helikoptergeld solls retten

Geldpolitik im Blindflug

- 25.07.2016

Ziehen Sie die Köpfe ein, suchen Sie sich Schutz und legen Sie ausreichend Vorräte an! Noch kann man sie nicht sehen, aber ihr Einsatz wurde lange vorhergesagt und inzwischen kann man schon deutlich das Starten der Motoren sowie das erste „Flap Flap“ der Rotoren hören. Die Helikopter kommen! Sie führen keine Waffen bei sich und werden dennoch aller Voraussicht nach großen Schaden anrichten. Sie ziehen in einen mittlerweile 9 Jahre andauernden Kampfeinsatz gegen den größten Feind des Systems: Die Deflation. Beladen sind sie mit Billionen ungedeckten Geldes...

Der von mir soeben überdramatisierte Begriff „Helikoptergeld“ verbildlicht eine extreme geldpolitische Maßnahme, bei der eine Zentralbank frisch gedrucktes Geld direkt an den Staat oder seine Bürger verteilt (gleich dem Abwurf aus einem Hubschrauber), um einer Rezession oder Deflation entgegenzuwirken. Die Hoffnung besteht darin, dass das geschenkte Geld für den Konsum verwendet wird und damit die Wirtschaft ankurbelt. Die höhere Nachfrage nach den vorhandenen Gütern soll zudem die Preise und damit auch die Inflation ansteigen lassen.

Der wesentliche Unterschied zu allen „konventionellen“ geldpolitischen Maßnahmen ist, dass es sich beim Helikoptergeld um ein Geschenk ohne Gegenleistung handelt. In den heutigen Kreditgeldsystemen kommt normalerweise alles Geld, wie der Name schon sagt, ausschließlich auf dem Wege der Kreditvergabe in Umlauf und das immer über den Umweg der Geschäftsbanken. Helikoptergeld hingegen kommt direkt von der Zentralbank und muss weder gegen Zins geliehen, noch jemals zurückgezahlt werden.

Noch vor 10 Jahren galt dieses theoretische Konstrukt wegen seiner großen Gefahren für die Geldwertstabilität als die undenkbare Todsünde jeder seriösen Zentralbankpolitik. Nur wenige Jahre später steht Japan heute als erste bedeutende Wirtschaftsnation kurz vor der Einführung von Helikoptergeld. Dieser Sinneswandel kann eindeutig als ein Eingeständnis dafür verstanden werden, dass weder die rekord-niedrigen Zinsen, noch die immensen Anleihe-Kauf-Programme (Quantitative Easing) ihre Ziele erreichen konnten. Die Wirtschaft ist trotz Billionen frischer Kredite zu extrem günstigen Konditionen nie mehr richtig auf die Beine gekommen und leidet heute mehr denn je an massiver Überschuldung.

Auch der Rest der Welt „flirtet“ seit einiger Zeit auffällig respektlos mit dem „schnellen Geld“. Kein Wunder, wirken doch überall - nur zeitversetzt - die gleichen Systemfehler: Zunächst kommt es in jedem Kreditgeldsystem zwangsläufig irgendwann zur Überschuldung. Der Grund dafür ist, dass die reale Wirtschaft unmöglich mit dem Zinseszins-Wachstum der Schulden und Vermögen mithalten kann. Drohen diese faulen Kredite und Guthaben dann irgendwann auszufallen, stellen wir zweitens fest, dass die Banken nicht ausreichend stabil sind, um die maroden Bilanzpositionen einfach abzuschreiben. Absurderweise ist es ihnen trotz unzähliger Krisen mit diesem Hintergrund immer noch erlaubt, deutlich mehr Geld zu verleihen, als sie selber zur Verfügung haben (Fraktionelles Reservesystem).

Wenn die Zentralbanken also mit allen Mitteln ihren Feind, die Deflation, bekämpfen, geht es ihnen nicht wirklich um die möglichen negativen Auswirkungen sinkender Preise auf unser Konsumverhalten - auch wenn sie uns diesen Effekt gerne als Ausrede für ihre inflationäre Geldpolitik präsentieren. Deflation bedeutet vor allem, dass die Geldmenge in Folge massiver Kreditausfälle unkontrolliert kontrahiert und in der Folge das hoch gehebelte Bankensystem zusammenbricht. In Italien droht aktuell genau dieses Szenario. Die Finanzkrise ab 2008 dürfte nur ein Strohfeuer gewesen sein im Vergleich zu dem Inferno, dass uns erwarten würde, sollten die Zentralbanken diesen Kampf eines Tages verlieren.

Das flächendeckende Helikoptergeld wäre also vielmehr eine verzweifelte Rettungsaktion als ein heroischer Kampfeinsatz. Für die Zentralbanken bedeutet eine Deflation letztendlich das Ende ihres Kreditgeldsystems und damit auch ihrer Macht. Die Inflationierung unseres Geldes ist also aus ihrer Sicht alternativlos.

Die Regierungen werden -wie schon in der Vergangenheit - aus Angst vor einem Finanzcrash dem Druck der Banken nachgeben, anstatt die Gelegenheit zu nutzen, das System zu reformieren. Als größter Schuldner und direkter Empfänger des Helikoptergeldes ist der Staat sogar einer der Hauptprofiteure. Fatalerweise sieht der Beginn einer Inflation einem wirtschaftlichen Aufschwung oftmals zum Täuschen ähnlich, weshalb diese fehlerhafte Politik sogar noch durch positive Wahlergebnisse bestärkt werden könnte.

Die Gefahren liegen auf der Hand: Gerät die anfänglich gewünschte Inflation außer Kontrolle, können unsere Ersparnisse und Einkünfte binnen weniger Jahre rapide an Kaufkraft verlieren. Das „schnelle Geld“ macht ebenso schnell abhängig und wird dann wahrscheinlich in immer größeren Dosierungen verabreicht werden müssen. Vor allem aber stellen solche „Cash-Geschenke“ die wahre Natur unseres aus dem Nichts geschöpften Buch- und Papiergeldes bloß und könnten damit zu dem Verlust des Einzigen führen, dass ihm Wert verleiht: Unser Vertrauen.

Seien Sie also besser auf der Hut, falls es auch bei uns bald Geld regnen sollte. Es könnte der Beginn einer Sintflut sein...

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GoldGeldWelt Gastautor

ist Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Filialleiter eines Edelmetallhändlers in Hamburg. Seine Spezialgebiete sind physische Edelmetallinvestments, sowie Blockchain und Kryptowährungen. In seinen Marktanalysen beleuchtet er das wirtschaftspolitische Big Picture.

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