Der Notenbankchef geht

Goodbye Mr. Draghi!

- 04.11.2019

Nach achtjähriger Amtszeit endet in diesen Tagen die Herrschaft von Mario Draghi über den Euro und die Europäische Zentralbank (EZB). Anlass genug für eine kurze Bilanz seiner Geldpolitik – einem Feld, das nur wenige Menschen durchschauen und das doch wie kaum ein anderes den Wohlstand jedes einzelnen von uns beeinflusst:

Rückblick

Als Draghi im November 2011 das Amt als Chef der EZB übernahm, befand sich diese inmitten der Turbulenzen der Euro-Schuldenkrise. Draghi stand vor der Qual der Wahl: Entweder zusehen, wie die hochverschuldeten Südeuropäer um Griechenland, Italien unter ihren hohen Zinslasten zusammenbrechen - und mit ihnen der Euro. Oder die Zinsen so weit senken, dass quasi jede Schuldenhöhe tragbar wird. Draghi entschied sich für die Rettung. Mit seiner historischen „Whatever it takes“-Rede stellte er 2012 klar, dass die EZB alles tun würde, um den Euro zu retten. Draghis Worten folgten Taten: Die Zinsen, wie wir sie seit Generationen kannten, wurden kurzerhand abgeschafft. Zusätzlich druckte die EZB Billionen frischer Euros, mit denen sie die Schulden der klammen Euro-Staaten aufkaufte. Die müssen mittlerweile in weiten Teilen nicht nur keine Zinsen mehr für ihre Staatsschulden zahlen, sondern bekommen sogar noch welche. Sprich: Wer spart wird bestraft, wer Schulden macht wird belohnt.

Hohe Kollateralschäden

Zwar ist es Draghi mit dieser völlig verqueren Zinswelt gelungen, die Pleite der Euro-Staaten über seine Amtszeit hinaus zu verschieben. Die finale Rettung ist damit aber keinesfalls erreicht. Im Gegenteil: Viele Euro-Staaten sind heute höher verschuldet als bei Ausbruch der Finanzkrise 2009. Und auch sonst hat Draghis Rettungspolitik hohe Kollateralschäden verursacht: Laut Bundesbank erlitten allein deutsche Sparer seit 2011 satte 625 Milliarden Euro an Zinseinbußen. Viele Banken stehen wegen der Strafzinsen mit dem Rücken zur Wand. Auch Lebensversicherungen und Pensionskassen ächzen unter der verkehrten Zinswelt. Die Pensionskassen der Caritas und die der Steuerberater sind bereits insolvent. Fast jeder vierten der 139 von der BaFin beaufsichtigte Pensionskassen droht ein ähnliches Schicksal.

Gewinner der Nullzins-Politik

Doch Draghis Geldpolitik schafft nicht nur Verlierer. Historisch niedrige Zinsen erfreuen insbesondere kreditfinanzierte Häuslebauer und treiben die Immobilienpreise in teils utopische Höhen. Auch Aktionären spielt das Zinsumfeld in die Karten: Einerseits steigen die Firmengewinne dank sinkender Zinskosten. Und andererseits steigen die Aktienkurse aufgrund steigender Nachfrage von Neuanlegern: Wer will sein Geld schon bei 0% Zinsen auf dem Konto von der Inflation dahinraffen sehen? EZB-Chef Draghi ist zwar in den wohlverdienten Ruhestand abgetreten. Doch die Probleme, die seine Geldpolitik mit sich bringen, werden uns noch lange erhalten bleiben.

Fazit:

Ob Draghi also zum Abschied einen Orden verdient hat, ist schwer zu sagen. Was wäre schließlich die Alternative gewesen? Der Zusammenbruch der Euro-Zone? Zum Glück müssen wir als Anleger diese Frage nicht beantworten. Schließlich können wir die Windrichtung in Form der Geldpolitik ohnehin nicht verändern – jedoch können wir die Segel richtig setzen. Mit unserer Strategie der internationalen Qualitätsaktien haben wir das getan. Deren Kurse haben sich seit Amtsantritt Draghis 2011 fast verdoppelt und dieser Tage ein neues Rekordhoch erreicht. Goodbye Mr. Draghi – und vielen Dank!

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GoldGeldWelt Gastautor

ist Geschäftsführer der TOP Vermögensverwaltung und des Itzehoer Aktien Clubs (IAC). Sein Spezialgebiet sind internationale Qualitätsaktien. Durch jahrzehntelange Erfahrung als institutioneller und privater Investor hat Jörg Wiechmann eine herausragende Kapitalmarktexpertise aufgebaut, die er in seinem IAC Monatsbericht und auf GoldGeldWelt regelmäßig teilt.

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