Geopolitik

USA vs. China – wenn zwei sich streiten, verlieren alle!

- 12.03.2019

Der Start in das Jahr 2019 an den Finanzmärkten war milde gesagt beispiellos wechselhaft: Die anfänglich noch weit verbreitete Angst ist mittlerweile wieder einem wenig fundierten Optimismus gewichen – und das obwohl sich die Vorzeichen in 2018 selbst in der letzten Bastion der Börsenbullen, den USA, unmissverständlich gedreht hatten. Dennoch: In Folge der teils hohen Verluste an den Börsen im letzten Jahr kehren nach und nach die, lange vernachlässigten, Risiken in das Bewusstsein der Anleger zurück. Alles, was einem erneuten Kursrutsch derzeit noch im Wege zu stehen scheint, ist Hoffnung. Hoffnung, dass es sich bei den Aktien doch nur um eine stärkere Korrektur gehandelt hat und der künstliche Bullenmarkt sich jetzt ungehindert fortsetzt. Hoffnung, dass die Amerikanische Zentralbank (Fed) doch noch rechtzeitig von ihrer destruktiven geldpolitischen Verknappung abgelassen hat und Hoffnung, dass Trumps Handelskonflikte schon bald beigelegt sein mögen.

Nun, wie sagt man so oft im Volksmund: „Hoffnung ist der Kutscher der Armut“. Ich möchte Sie daher mit dem heutigen Artikel deutlich davor warnen, diesen weit verbreiteten Hoffnungen allzu unbedarft aufzusitzen. Der schwelende Konflikt zwischen West und Ost hat gerade erst begonnen und beide Seiten können und werden – meiner Einschätzung nach – von ihren eingeschlagenen Wegen so schnell nicht abweichen. Sowohl hinter der geldpolitischen Verknappung der Fed, als auch hinter den US-induzierten Handelskonflikten steht bei objektiver Betrachtung ein übergeordnetes, weit wichtigeres Ziel der USA, dem sich Wirtschaft und Finanzmärkte bis auf unbestimmte Zeit werden unterordnen müssen: Machterhalt.

Augenscheinlich hat der Einfluss Pekings und seiner Verbündeten aus Sicht des Weißen Hauses unter Trump die rote Linie überschritten, ab der die USA ihre enormen Privilegien als alleinige militärische, wirtschaftliche und finanzielle Supermacht ernsthaft gefährdet sehen. Die Strafzölle und das Geplänkel im Südchinesischen Meer sind dabei nur die offen zutage tretenden Auswüchse eines bereits in vollem Gange befindlichen Maßnahmenpaketes der Vereinigten Staaten, welches die aufbegehrenden Gegenspieler in die Schranken weisen soll und allem voran dem Schutz des Petrodollar-Systems dient.

Schon seit einigen Jahren widersetzt sich eine wachsende Allianz von Staaten unter der Führung von China und Russland der Dominanz und Einmischung der USA und fordert immer offener ein faireres Weltwirtschaftssystem, welches ihrer gestiegenen Bedeutung gerecht wird (u.a. beim BRICS Summit 2017 in Xiamen). Mit der offenen Gegenwehr Russlands zur Nato-Ost-Erweiterung in der Ukraine und in Syrien kann 2014 hier als eine Art Wendepunkt und Katalysator gesehen werden. Eines der erklärten Ziele dieser Nationen liegt darin, sich so weit wie möglich vom US-Dollar zu emanzipieren und sich damit weniger anfällig für Sanktionen, Überwachung und Druck aus Washington zu machen.

Die, im Alleingang und unter Strafandrohungen dem Rest der Welt aufgezwungenen, Iran-Sanktionen lassen keinen Zweifel an Onkel Sams Bereitschaft, seinen langen Arm der Welt-Reservewährung auch als Waffe einzusetzen. Der seit dem 5. November wirksame Ausschluss aus dem SWIFT System, über welches sämtliche internationale Dollar-Transaktionen abgewickelt werden, schneidet den Iran praktisch vollständig vom Welthandel ab. Um einem vergleichbaren Schicksal zu entgehen, haben China und seine Verbündeten seit 2014 in Hochgeschwindigkeit mehrere Institutionen und Maßnahmen in Konkurrenz zu den US-Dominierten auf den Weg gebracht. Dank dieser enormen Kraftanstrengungen sind sie mittlerweile in der Lage, sämtliche kritische Bereiche ihres Außenhandels unabhängig vom US-Dollar und der Einflussnahme Washingtons abzudecken.

Zu den Wichtigsten zählen eigene Alternativen zum SWIFT (CIPS, SPFS), der bilaterale Handel in den jeweiligen Landeswährungen, die „One Belt, One Road“-Initiative, die Asian Infrastructure Investment Bank, die New Development Bank, die Shanghai Gold Exchange und der in Yuan notierte Öl-Future an der Energiebörse in Shanghai. Letzterer wurde erst Anfang vergangenen Jahres eingeführt und konnte binnen weniger Monate schon rund 15 Prozent des weltweiten Marktanteils (kürzeste Laufzeit) gewinnen! Erstmalig seit der Einführung des Petrodollar-Standards in den Siebziger-Jahren gibt es damit eine erfolgreich etablierte Möglichkeit, Öl unter vollständiger Umgehung des US-Dollars zu handeln. 

Die in Folge dieser Maßnahmen unweigerlich sinkende Nachfrage nach US-Dollar hat weitreichende negative Folgen für die Vereinigten Staaten: Zum einen droht den USA das ungeheure Privileg verloren zu gehen, mit ihrer aus dem Nichts erschaffenen Währung reale Waren und Dienstleistungen im Ausland zu erwerben. Zum anderen sinkt die internationale Nachfrage nach amerikanischen Staatsanleihen.

Es ist eben dieser, für das weltweite Finanzsystem extrem wichtige und signalgebende Markt für amerikanische Staatsschulden, welcher in den vergangenen Jahren bereits sehr beunruhigende Veränderungen durchlaufen hat. Er sendet mittlerweile deutliche Signale, dass die „Dedollarisierung“ bereits wesentlich weiter fortgeschritten sein könnte, als uns bewusst ist. Ein bloßer Blick auf die zwar (zeitgleich mit den Leitzinsen) steigenden, aber immer noch recht moderaten Zinsen auf diese Papiere ergibt ein verharmlosendes Bild:

Schon seit 2015 gibt es netto keinerlei zusätzliche Nachfrage mehr nach amerikanischen Staatsanleihen aus dem Ausland, obwohl diese in den 15 Jahren zuvor noch zwischen 37 und 41 Prozent der US-Neuverschuldung absorbiert hat. Gleichzeitig ist die Federal Reserve von einem der größten Käufer im Rahmen des QE-Programmes zum Netto-Verkäufer geworden. Das wirft die Frage auf, wer die, aus allen Rudern laufenden, Haushaltsdefizite in den letzten drei Jahren überhaupt noch finanziert hat.

Offenbar sind nicht näher spezifizierbare inländische Investoren in die Bresche gesprungen, die zuvor für die Statistiken von so geringer Bedeutung waren, dass sie neben den Banken, Versicherungen und sonstigen großen Käufern nur unter „Andere“ gelistet werden. Ob, und in welchem Ausmaß diese kapitalstarken „Retter“ auch in den nächsten Jahren in der Lage sein werden, den (andernfalls unausweichlichen) Kursverfall und Zinsanstieg aufzuhalten, bleibt offen. Wir können jedoch festhalten, dass die weiter steigenden Dollar-Überschüsse der großen Exportnationen wie China und Japan nicht mehr in US-Staatsanleihen investiert werden, womit eine wichtige Säule des Petro-Dollar-Systems bereits vollständig weggebrochen ist.

Von dieser Nachfrage hing aber das Privileg der USA ab, sich weit über ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit zu verschulden, ohne dabei den Dollar in Folge einer fortgesetzten Staatsfinanzierung aus der Notenpresse stark zu entwerten. Ein offener Umgang mit dieser Bedrohungslage ist naturgemäß nicht zu erwarten, würde er doch den bereits im Gange befindlichen Vertrauensverlust in den Dollar und die damit einhergehende Inflation nur noch beschleunigen. Vor dem Hintergrund dieser Motivlage müssen die sich seit 2014 stark beschleunigenden Ereignisse entsprechend neu eingewertet werden:

Ich hoffe, damit dürfte meine Position ausreichend dargelegt sein, warum die Lenker der Vereinigten Staaten bei dieser Bedrohungslage höhere Prioritäten haben dürften, als „nur“ die Wirtschaft vor der längst überfälligen Rezession oder die Märkte vor einer größeren Korrektur zu bewahren. Ganz im Gegenteil könnten solche Negativschlagzeilen möglicherweise überhaupt erst die notwendige Zustimmung für noch radikalere Maßnahmen, wie beispielsweise staatliche Konjunkturhilfen oder ein weiteres QE-Programm ermöglichen.

Der von vielen immer noch als „Demokratie-Unfall“ belächelte Trump scheint jedenfalls in diesem Kontext genau der richtige Mann zur richtigen Zeit im Oval Office zu sein, um die anfangs erwähnten und bereits in vollem Gange befindlichen schwerwiegenden Abwehrmaßnahmen gegen die aufstreben Mächte im Osten in die Wege zu leiten – und im Gegensatz zu der öffentlichen Kritik Trumps an der konjunkturschädlichen Fed-Politik stellen sich Geldpolitik und Trumponomics bezüglich dieser übergeordneten Agenda durchaus in gut funktionierendem Einklang dar:

Zeitlich passend zu dem oben erwähnten Ausbleiben ausländischer Nachfrage nach US-Staatsanleihen hat die Fed Ende 2015 damit begonnen, ihren Leitzins anzuheben, obwohl Inflation und Wachstum mit nur knapp über null Prozent keinerlei Anlass dazu gaben. Sie rechtfertigte diesen Schritt mit einer positiven Arbeitsmarktstatistik, welche die damals rund 3,8 Millionen Langzeitarbeitslosen schlichtweg ausblendete. Es deutet daher vieles darauf hin, dass die Zinsanhebung vielmehr als eine notgedrungene, reaktive Maßnahme zu verstehen ist, mit der die Attraktivität von Anlagen im US-Dollar-Raum erhöht und damit der sinkenden Nachfrage nach Dollar und Staatsanleihen entgegengewirkt wurde.

Da der Rest der Welt immer noch mit den Spätfolgen der Finanzkrise beschäftigt war und an der expansiven Geldpolitik weiter festhalten musste, stieg der Dollar in der Folge stark gegenüber den jeweiligen Landeswährungen an. Diese Dollarstärke führte in Verbindung mit den steigenden Zinsen schnell zu massiven Zahlungsschwierigkeiten in mehreren Schwellen- und Entwicklungsländern, nachdem diese sich zuvor zur Überwindung der Finanzkrise mit günstigen Dollar-Krediten eingedeckt hatten. Zu den namhaftesten Opfern gehören Brasilien und Südafrika, welche möglicherweise nicht ganz zufällig zum engsten Kreis der chinesischen Allianz zähl(t)en. Die nach dem Putschversuch mit Russland sympathisierende Türkei ist ebenfalls unter den großen Verlierern. Erdogan sprach sogar offen von einem Angriff der USA auf die Lira. Auch China hatte in Erwartung einer weiteren Abwertung des Yuans mit einer zunehmenden Kapitalflucht zu kämpfen.

Genau zum richtigen Zeitpunkt wirken seit 2016 die massiven Steuersenkungen und Deregulierungen Trumps den negativen Effekten des, von der Fed verursachten, Kreditzinsanstiegs auf die überschuldete US-Wirtschaft entgegen. Gemeinsam mit der, ebenfalls durch Steuernachlässe angereizten, Rückholung von Dollarguthaben amerikanischer Unternehmen aus dem Ausland, konnte sogar ein kurzfristiger Wirtschaftsboom erreicht werden. Dieser künstliche Einmaleffekt lieferte der Fed wiederum die Argumente für eine Fortsetzung ihrer konjunkturschädlichen Geldpolitik.

Nur auf den ersten Blick nicht ganz ins Bild der oben erläuterten Gefährdung für den Markt amerikanischer Staatsanleihen passt die seit Juni 2017 laufende Bilanzverkürzung der Fed. Bei dieser, unter dem Kürzel QT laufenden Maßnahme verkauft die Zentralbank schrittweise die US-Staatsleihen wieder, welche sie nach der Krise im Rahmen der QE-Programme erworben hatte. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass mit diesen Verkäufen Dollar vom internationalen Markt aufgesogen werden, was gemeinsam mit Trumps Rückhol-Programm eine Dollar-Knappheit am internationalen Markt hervorruft und damit die Währung weiter stärkt. Wissend um den großzügig einspringenden „Anderen“-Abnehmer im Inland wäre dies ein durchaus sinnvoller Schachzug im Währungskrieg.

Ohne zu weit ausschweifen zu wollen, sei an dieser Stelle auch noch kurz der Ölpreisverfall Mitte 2014 erwähnt, an dem der (bis heute unrentable) US-Schiefer-Boom und der strategische US-Partner Saudi Arabien den größten Anteil hatten. Sei es nun geplant oder nicht – im Ergebnis wurden die US-Gegner Russland, Syrien, Venezuela und der Iran am stärksten geschwächt, nachdem diese Ölexporteure dank ihrer hohen Dollareinnahmen andernfalls zu den Gewinnern einer Dollar-Stärke gehört hätten.

Einzig und ausgerechnet China gehört als weltgrößter Öl-Importeur und mit seinen kontinuierlich hohen Dollar-Handelsüberschüssen zu den klaren Gewinnern eines niedrigen Ölpreises und starken US-Dollars. An dieser Stelle fügen sich die gegen Peking gerichteten Strafzölle Trumps perfekt als letztes Puzzleteil in das Gesamtbild einer sehr umfangreichen und beeindruckenden Strategie zum Erhalt der US-Amerikanischen Vormachtstellung. Nachdem zuvor sämtliche Partner Chinas direkt oder indirekt durch Elemente der US-Politik geschwächt wurden, wird damit nun der eigentliche Gegner in den Fokus gerückt und massiv unter Druck gesetzt.

Mit den langfristigen und weitreichenden Maßnahmen der chinesischen Allianz zur „Dedollarisierung“ im Hinterkopf, stellen Sie sich nun bitte noch einmal die Frage: Wie berechtigt ist die weitverbreitete Hoffnung auf eine schmerzfreie Lösung dieses Konfliktes wirklich? Natürlich sind kurzfristige beruhigende Lippenbekenntnisse nicht ausgeschlossen, insbesondere da China mit einer Fortsetzung des Status Quo nur stärker würde und, wie schon in den letzten Jahren, auf Zeit spielen könnte. Die jeweiligen konkreten Handlungen der letzten vier Jahre lassen allerdings wenig Zweifel daran, dass die grundlegenden strategischen Entscheidungen feststehen und beide Seiten bereit sind, einen sehr hohen Preis für die Durchsetzung der eigenen Interessen zu zahlen.

Während Europa und der Rest der Welt paralysiert und hilflos hoffend zwischen den Fronten stehen, haben die Kontrahenten im Streit um ihr Stück vom Kuchen bereits jetzt unumkehrbare Verwerfungen angerichtet, deren Schadenspotential sich gerade erst zu entfalten beginnt. Die in absoluten Zahlen moderat klingende Zinsanhebung der Fed von 0,25 Prozent Ende 2015 auf 2,5 Prozent Ende 2018 bedeutet nichts geringeres als einen 900 prozentigen Anstieg der Leitzinsen unserer Welt-Reservewährung in nur drei Jahren – bei rekord-hoher Verschuldung von 320 Prozent der Weltwirtschaftsleistung! Selbst bei einem sofortigen Stopp der Anhebungen sind massive Kreditausfälle und erneute inflationäre Rettungsmaßnahmen vorprogrammiert.

Natürlich ist eine Rückkehr der Vernunft oder das Einknicken einer Konfliktpartei nie ausgeschlossen. Allein die Hoffnung darauf ist für Anleger in diesen Zeiten ein schlechter Ratgeber. Die Zeichen deuten leider auf eine vorübergehende Zweiteilung der Weltwirtschaft und der Einsatz des Dollars als Waffe wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger, der die Verlierer näher zusammentreibt. Die wahrscheinlichen Folgen sind Wirtschaftskrisen, weniger freie Marktwirtschaft und mittelfristig ausufernde Inflation.

Anleger finden den besten Schutz in diesen unsicheren Zeiten, wie schon immer während der großen Umbrüche im Weltfinanzsystem, im Altbewährten: Nicht umsonst bereiten sich die aufstrebenden Mächte des Ostens seit über zehn Jahren mit vermehrten Goldkäufen auf alle Eventualitäten vor…

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GoldGeldWelt Gastautor

ist Diplom-Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Filialleiter eines Edelmetallhändlers in Hamburg. Seine Spezialgebiete sind physische Edelmetallinvestments, sowie Blockchain und Kryptowährungen. In seinen Marktanalysen beleuchtet er das wirtschaftspolitische Big Picture.

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