Nachhaltige Geldanlagen liegen im Trend. Neuste Umfragen belegen, dass rund jeder zweite Anleger daran interessiert ist, die Welt mit seiner Geldanlage ein wenig besser zu machen. Sei es nun im Hinblick auf die Umwelt, soziale Aspekte oder im Sinne guter Unternehmensführung. Da die Nachfrage bekanntlich das Angebot bestimmt, verwundert es nicht, dass das Geschäft mit dem guten Gewissen bei der Geldanlage boomt.
Zudem schlagen Banken und Fondsgesellschaften mit dem Angebot grüner bzw. nachhaltiger Investments gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens läßt sich damit das eigene Image aufpolieren, das bei vielen Banken seit der Finanzkrise noch immer arg ramponiert ist. Und zweitens sind die Milliarden an Mittelzuflüssen, die sich mit nachhaltigen Geldanlagen einsammeln lassen, natürlich ein höchst einträgliches Geschäft.
Der Haken daran: Ein Öko- oder Nachhaltigkeitsfonds ist zwar schnell aus der Taufe gehoben, um ihn der anlagewilligen Kundschaft feil zu bieten. Vielmehr, als ein zu Unrecht beruhigtes Gewissen und die Kassen der Anbieter zum Klingeln zu bringen, erreichen Anleger mit nachhaltigen Anlagen jedoch nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Studie im Auftrag der obersten Verbraucherschützer im Land, des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.
"Unsere Feststellungen mögen ernüchternd sein. Aber letztlich ist aus unserer Sicht nicht zu erwarten, dass durch die nachhaltigen Geldanlagen der privaten Anleger die Welt gerettet werden kann", so die Autoren Marco Wilkens, Dekan der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg, und Christian Klein, Professor für Nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität Kassel. Die Wissenschaftler raten Anlegern folglich dazu, bei grünen Investments kritisch zu sein. „Wenn ein Investmentfonds Anleger mit dem Versprechen umgarnt, Investitionen in den Fonds würden bewirken, dass weniger CO2 ausgestoßen wird, wäre ich sehr vorsichtig. Eine direkte Kausalität zwischen Geldanlage und Nachhaltigkeitsziel können wir bisher nicht belegen“, so die Wissenschaftler. Ihrer Ansicht nach besteht die Gefahr, dass irreführende Angaben über die Folgen des Investments gemacht werden und sogenanntes "Greenwashing", also vor allem Imagepflege statt wirksamer nachhaltiger Anlage, erfolge. Kontraproduktiv für die Rettung der Welt werde das Ganze gar, wenn Anleger meinen, sich durch ihre vermeintlich nachhaltige Geldanlage bzgl. ihres sonstigen Verhaltens freikaufen zu können.
Häufiger Anleger-Irrtum
Im Grunde kann das ernüchternde Ergebnis kaum verwundern. Schließlich ist das Thema Weltverbesserung durch Geldanlage viel zu komplex, als dass es nachweislich funktionieren könnte.
Zuerst einmal sollten Anleger sich klar machen, dass sie einem weit verbreiteten Irrtum aufsitzen, wenn sie glauben, dass ihr Erspartes, welches sie an der Börse in ein nachhaltiges Unternehmen investieren, diesem zufließen würde und dort zur Finanzierung konkreter nachhaltiger Projekte wie bspw. für den Bau eines Windrades genutzt werden könnte. Tatsächlich sieht das Unternehmen vom Geld des Anlegers nämlich keinen Cent. Vielmehr landet Geld, das man direkt oder mittelbar über einen Fonds für den Kauf einer Aktie ausgibt, stets auf dem Konto des Verkäufers dieser Aktie. Dies kann ein Hedgefonds, eine Pensionskasse oder einfach ein anderer Privatanleger sein. Ob der Verkäufer der Aktie mit dem Geld dann eine klimatechnisch wenig nachhaltige Weltreise unternimmt oder sich eine Solaranlage aufs Dach setzt, steht in den Sternen. Das Ersparte des Nachhaltigkeits-Anlegers landet also im Zweifel überall, aber definitiv nicht im von ihm ausgewählten Unternehmen. Zwar löst der Käufer mit seinem Investment den Verkäufer als neuer Miteigentümer des Unternehmens ab, was ihm im Zweifel das gewünschte gute Gefühl verschafft. Für das Unternehmen selbst bleibt ein solcher Miteigentümer-Wechsel hingegen unbekannt und ohne Bedeutung für sein Geschäft.
Was genau ist eigentlich "nachhaltig" ?
Unabhängig von diesem kleinen aber feinen Denkfehler beim Wunsch, die Welt durch die Anlage seines Ersparten in nachhaltige Fondsanlagen zu verbessern, hakt es dabei aber noch an zahlreichen weiteren Punkten. So müsste es vor dem massenweisen Angebot nachhaltiger Geldanlagen doch zumindest überhaupt erstmal eine klare Definition geben, was denn überhaupt unter „nachhaltig“ zu verstehen ist. Genau das aber stellt bereits die zuständigen EU-Gremien vor bislang ungelöste Herausforderungen. Während bspw. einige osteuropäische Länder sowie Frankreich die Atomenergie angesichts ihrer Eigenschaft der CO2-neutralen Energieproduktion als nachhaltig einstufen, ist die deutsche Sichtweise bekanntlich eine andere. Wobei es schon an politisches Greenwashing grenzt, im eigenen Land sowohl Kohle- als auch Atomkraft den Garaus zu machen, um dann in Zeiten, wo die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, den zuvor verteufelten Atomstrom aus Frankreich zuzukaufen.
Viele Anleger von Öko- oder Nachhaltigkeitsfonds im Zinsbereich dürften sich bei genauerem Blick auf ihren Fonds oder ETF denn auch wundern, dort auch schon mal eine französische Staatsanleihe zu finden. Eine solche ist nämlich der größte „Green-Bond“ der Welt, eine Anleihe also, mit der ausschließlich ökologische Projekte finanziert werden sollen. Da das mit Hilfe dieser grün angestrichenen Staatsanleihe eingesammelte Anlegergeld allerdings dem französischen Staat zufließt, ist die mittelbare Verwendung zur Finanzierung französischer Rüstungsausgaben oder Kernkraftwerke kaum ausgeschlossen. Das allerdings dürfte mit den eigentlichen Öko- bzw. Nachhaltigkeitszielen der Anleger wohl wenig zu tun haben.
Und wie misst man "Nachhaltigkeit" ?
Selbst wenn man sich irgendwann mal auf eine klare Definition von „Nachhaltigkeit“ verständigt hätte: Wie will man für einen Konzern mit hunderttausenden Mitarbeitern in dutzenden Ländern, hunderten Zulieferern und seinen zahlreichen Geschäftsfeldern die Nachhaltigkeit messen? Von Zielkonflikten ganz zu schweigen. Zu nachhaltiger Unternehmensführung gehört es beispielsweise gleichermaßen, die lokalen Gesetze einzuhalten - aber eben auch die Menschenrechte zu achten. Was aber, wenn ein Konzern Absatzmärkte, Zulieferer oder gar Produktionsstätten in einem Land hat, wo die Einhaltung der Menschenrechte nicht gewährleistet ist? Konkret: Ist Volkswagen trotz seiner derzeit sehr dynamischen Wandlung vom Diesel-Saulus zum Elektro-Paulus allein deswegen nicht nachhaltig, weil eine seiner Fabriken in der chinesischen Region liegt, in der die Uiguren verfolgt werden? Und gilt dann das Gleiche auch für Tesla, das ebenfalls in China produziert?
Apropos Tesla: Keine Frage, dass der E-Auto-Pionier mit seinen Fahrzeugen Vorreiter im emissionslosen Fahrbetrieb ist. Allerdings besteht selbst unter Öko-Experten kaum Zweifel, dass bei Betrachtung über den gesamten Produkt-Lebenszyklus – Herstellung, Betrieb und Entsorgung – ein moderner Diesel-Kleinwagen eine bessere CO2- und Umwelt-Bilanz hat, als Teslas tonnenschwere Oberklasselimousine Model S, geschweige denn sein 670 bis zu irrwitzigen 1020 PS starkes Großstadt-SUV Model X. Hinzu kommt: Wie ist es eigentlich unter Öko- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu bewerten, dass Tesla den Großteil seines Gewinns keinesfalls wie zu erwarten mit der Produktion seiner E-Autos macht, sondern mit dem Verkauf seiner Emissionsrechte? Immerhin macht Tesla es damit zum Geschäftsmodell, es anderen Autobauern erst zu ermöglichen, weiter Verbrenner zu produzieren.
Schluss mit Greenwashing !
Diese und zahlreiche weitere Fragen zum Thema Nachhaltigkeit mögen Anlegern auf der Suche nach einem guten Gewissen komplex und unbequem erscheinen. Wer sich aber in den gedanklichen Energiesparmodus begibt und allein auf dem Öko- oder Nachhaltigkeitslabel seines Fonds ausruht, verbessert damit nicht die Welt, sondern ist schlicht dem Nachhaltigkeits-Marketing der Finanzbranche auf den Leim gegangen. Und das läuft angesichts des winkenden Milliardengeschäftes auf Hochtouren, samt höchstzweifelhafter Tricks. So machen sich viele Fondsgesellschaften laut der Ratingagentur Morningstar mittlerweile nicht mal mehr die Mühe, neue Nachhaltigkeits-Fonds aufzulegen, sondern labeln schlicht alte Produkte um. Nachhaltigkeit lag einem schließlich schon immer in den Genen - auch wenn man bis heute nicht definieren kann, was genau damit eigentlich gemeint ist.
Deutschlands oberste Verbraucherschützer wollen dieser Art von Anlegertäuschung nun einen Riegel vorschieben. Möglicherweise motiviert durch die vernichtenden Ergebnisse der von ihr in Auftrag gegebenen Studie zur Unwirksamkeit nachhaltiger Geldanlagen hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg jüngst Klage eingereicht gegen das Wertpapierhaus der Sparkassen, die DekaBank, wegen irreführender Werbung. Konkret wirbt die Deka für ihren Investmentfonds „Deka-Nachhaltigkeit Impact Aktien“ damit, dass Anleger mit einer Investition von bspw. 10.000 Euro die Produktion von 830 Kilowattstunden erneuerbarer Energien, die Aufbereitung von rund 43.000 Litern Wasser oder die Einsparung von 575 Kilogramm CO2 ermöglichen. Die Verbraucherschützer werfen der Deka vor, dass Kunden erst später erfahren, dass die ökologischen Effekte lediglich auf Schätzungen beruhen für die zudem nicht einmal alle Unternehmen des Fonds berücksichtigt wurden. „Für die in der Werbung versprochenen Effekte gibt es keinerlei Evidenz“, so Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Fazit:
Klimawandel, Artensterben, Gleichberechtigung, der Kampf gegen Kinderarbeit usw. – es gibt viele Bereiche, in denen es dringend geboten ist, die Welt zu verbessern. Wer seinen Teil dazu über die boomenden nachhaltigen Geldanlagen beitragen will, scheint damit aber auf das falsche Pferd zu setzen. Das zumindest belegen wissenschaftliche Erkenntnisse im Auftrag der Verbraucherzentralen. Die Finanzbranche hingegen verdient bisweilen prächtig am Geschäft mit dem Wunsch der Anleger nach einem guten Gewissen. Dabei müsste nicht zuletzt der Diesel-Skandal doch Warnung genug sein, dass Scheinheiligkeit für Produktanbieter gerade kein nachhaltiges Geschäftsmodell ist.