In dem ersten Teil dieses Artikels habe ich bereits erläutert, wie die Zentralbanken unter Führung der Federal Reserve Bank in New York seit dem Zweiten Weltkrieg systematisch den Goldpreis drückten, indem Sie die eigenen Bestände nach und nach verkauft oder verliehen (Gold-Leasing) haben. In einem Nachkriegs-Währungssystem, in dem zunächst nur noch der US-Dollar und seit 1971 überhaupt keine Währung mehr durch Gold gedeckt ist, war diese Manipulation notwendig, um den kontinuierlichen Kaufkraftverlust des Zentralbankgeldes zu vertuschen.
Ein unkontrollierter Goldpreisanstieg hätte die Inflationserwartungen der Wirtschaftsteilnehmer in Folge der übermäßigen Geldmengenausweitungen schonungslos offen gelegt, das Vertrauen in die Werthaltigkeit des staatlichen Papier- und Buchgeldes unterminiert und wahrscheinlich zu einer sich beschleunigenden Flucht aus selbigem geführt.
Dank der hohen Intransparenz, fragwürdiger Bilanzierungsmethoden und fehlender unabhängiger Bestandsprüfungen ist es den Zentralbanken bis heute unter staatlicher Duldung gelungen, die Höhe der Abflüsse aus ihren Goldreserven im Rahmen dieser Markteingriffe zu verschleiern. Unbestreitbar ist jedoch, dass die tatsächlich verfügbaren Bestände durch das Gold-Leasing weit niedriger sind, als die bilanzierten Reserven. Die Tatsache, dass der Goldpreis sich seit der Jahrtausendwende mehr als vervierfachen konnte ist ein zusätzliches Indiz dafür, dass der Handlungsspielraum für die Preiseinflussnahme mithilfe der eigenen Goldreserven nur noch sehr begrenzt sein könnte.
In Anbetracht der offensichtlichen Endlichkeit dieser Einflussmöglichkeit werden die Währungshüter nach anderen Optionen gesucht haben und mindestens äußerst wohlwollend gegenüber einer parallel stattfindenden tiefgreifenden Veränderung an den Edelmetallmärkten gewesen sein – sofern sie diese nicht sogar wesentlich mitgestaltet haben: Die Entstehung und bis heute stetig wachsende Bedeutung der Papiergoldmärkte.
Die Bezeichnung Papiergold kommt daher, dass an diesen Märkten nicht mehr das eigentliche Gold, sondern nur noch Besitzansprüche und sonstige Derivate auf das Edelmetall gehandelt werden. Bestenfalls liegt das diesen Verträgen zugrundeliegende Gewicht in Gold eins zu eins in nummerierten Barren in einem Hochsicherheitstresor und kann von seinem Eigentümer jederzeit zur Auslieferung verlangt werden („allocated Gold“). In diesem Falle macht der elektronische Handel mit den Verbriefungen den internationalen Goldmarkt einfach nur liquider und effizienter und ist somit als eine sinnvolle Erweiterung zu dem rein physischen Markt zu verstehen. Das Problem ist allerdings, dass diese eindeutigen Besitzansprüche nur äußerst selten vorliegen und ein überwiegender Teil des gehandelten Goldes ausschließlich auf dem Papier existiert.
Ein Großteil des internationalen Goldhandels verteilt sich dabei auf nur zwei Marktplätze, deren dominante Rolle bei der Goldpreisfindung allgemein unbestritten ist: Die COMEX in New York und den Londoner OTC-Markt. Die dort gehandelten „Futurekontrakte“ ermöglichen es, Gold zu einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft (zumeist wenige Monate) zu einem vereinbarten Preis zu kaufen oder zu verkaufen.
Die ursprüngliche Funktion dieser Terminmärkte war es, den Marktteilnehmern Absicherungsgeschäfte zu ermöglichen. Ein Minenbetreiber konnte seine noch nicht geförderte Jahresproduktion schon vorab zu einem festen Kurs zum Verkauf anbieten und sich damit gegen fallende Kurse absichern. Auf der Gegenseite des Geschäftes hatten beispielsweise Schmuckhersteller oder Prägeanstalten die Möglichkeit ihren Bedarf schon vor der Produktion zu festen Konditionen einzukaufen, um Verluste durch zwischenzeitige Preisanstiege auszuschließen. Auch diese Art von Absicherungsgeschäften bereichert den Edelmetallmarkt und ist durchaus als legitim zu betrachten. Der Verkäufer verfügt (wenn auch indirekt) über die versprochene Menge an Gold und der Käufer hat einen tatsächlichen physischen Bedarf.
Leider ermöglichen die zugrunde liegenden Regularien an den Futures-Märkten eine weitere Anwendung, welche den gesamten Edelmetallmarkt verzerrt und anfällig für Manipulation macht: die Spekulation. Diese Wetten auf fallende oder steigende Goldpreise machen einen großen Teil des Handelsvolumens aus, obwohl die Akteure – im wesentlichen die Bullionbanken und Hedgefonds – überhaupt kein Interesse an einer physischen Lieferung haben. Bis auf wenige, unbedeutende Ausnahmen werden diese Geschäfte daher auch nicht in Gold, sondern in bar abgewickelt. Dazu müssen lediglich beide Vertragspartner eines Futurekontraktes mit der Barabwicklung einverstanden sein.
Ursächlich für die immensen Auswüchse der Spekulation ist die legale und gängige Praxis von stark gehebelten Leerverkäufen. Dabei ist es den Marktteilnehmern erlaubt, beliebige Mengen an Buchgold zum Verkauf anzubieten, ohne auch nur eine einzige Unze zu besitzen. Sie müssen lediglich eine kleine Sicherheitsleistung (aktuell rund 4,3% bei der COMEX) des Vertragsgegenwertes auf einem Konto bei der Börse hinterlegen und einen willigen Käufer auf der Gegenseite finden. Das Resultat ist eine völlige Loslösung des Papiergoldmarktes von der Realität, wie folgende Zahlen eindrucksvoll verdeutlichen:
Im Jahr 2016 erreichte das Handelsvolumen an der COMEX knapp 180.000 Tonnen, was fast der gesamten jemals geförderten Goldmenge oder auch dem 60-fachen der Gesamtjahresfördermenge entspricht. Nur bei 0,12% davon kam es zur „Auslieferung“ - wobei selbst das bedeuten kann, dass das Gold den Tresor nicht verlässt und nur der Besitzanspruch gewechselt hat. Würden aktuell alle offenen Verträge (open interest) zur Auslieferung kommen, müssten unvorstellbare 1.500 Tonnen am knappen physischen Markt beschafft werden – nur 22 Tonnen sind in den COMEX-Tresoren als lieferbar gekennzeichnet.
Ähnlich wie bei den Zentralbanken gibt es nicht einmal mehr eine unabhängige Überprüfung dieser (eh schon viel zu geringen) Bestände. Eine jährliche Überprüfung findet zwar statt, wird aber ebenso wenig wie die Inventarlisten veröffentlicht. Auch bei den Identitäten der Marktteilnehmer herrscht Intransparenz. Klar hervor geht aus den regelmäßigen Berichten nur, dass wenige Marktteilnehmer beherrschend sind. Es handelt sich, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, um die selben Bullionbanken, welche bereits beim Gold-Leasing von den Zentralbanken eingebunden wurden (u.a. HSBC, UBS, JP Morgan, Deutsche Bank).
Wie im ersten Teil beschrieben, sind diese Banken zu keinem Zeitpunkt in der Lage, Ihre Verpflichtungen aus den Leasing-Geschäften vollständig zu begleichen, weil Sie das aus den Zentralbankreserven geliehene Gold am Markt weiterverkauft haben. Es handelt sich um tausende Tonnen, die ohne Preisvervielfachungen nie zurückgekauft werden könnten. Sie sind damit abhängig von einer ständigen Verlängerung der Leasinggeschäfte und haben ein ebenso vitales Interesse an möglichst niedrigen Goldpreisen, wie die Zentralbanken selber. Dieses Prinzip wurde auf die Terminmarktspekulationen ausgeweitet – Die Bullionbanken wären nie in der Lage, den vertraglichen Verpflichtungen vollständig nachzukommen.
Die legale Spekulation und Funktionsweise des Marktes ist an sich schon als Manipulation zu verstehen: Das ausgerechnet Gold - welches seinen inneren Wert aus einer natürlichen Knappheit zieht - an den wichtigsten beiden Märkten auf dem Papier in nahezu beliebigen Mengen aus dem Nichts erschaffen und zum Verkauf angeboten werden kann, ist ein Widerspruch in sich. Er kann als Beleg dafür verstanden werden, dass weder die beteiligten Staaten noch Zentralbanken ein Interesse an einer fairen Goldpreisbildung haben.
Ein von Wiki-Leaks veröffentlichtes Dokument aus 1974 zeigt die vorrausschauenden Erwartungen der damaligen größten Händler an die ein Jahr später erfolgte Einführung dieser Terminmärkte: Sie würden den physischen Handel schon bald um ein Vielfaches übertreffen und ihm dadurch nach und nach die Bedeutung nehmen. Zudem sei eine weit höhere Volatilität zu erwarten, wodurch die Langzeithaltung von Gold unattraktiver würde. Diese tatsächlich eingetretenen Entwicklungen waren somit keineswegs unbeabsichtigt.
Obwohl bereits einige Manipulationsfälle an den Terminmärkten an die Öffentlichkeit gelangt sind, bleibt das wahre Ausmaß unklar, auch wenn die GATA und weitere Analysten sehr detaillierte Informationen bereit stellen. Nebst der beschriebenen Loslösung des Marktes von der physischen Realität scheint es vor allem darum zu gehen, in Krisenzeiten die Anstiege abzufangen, die Anleger zu verunsichern und Gold seiner Funktion als sicherer Hafen zu berauben.
Immer wieder kommt es zu unerklärlichen Preisstürzen (Flash-Crashes), wie am 26. Juni oder 20. September diesen Jahres, für die es weder nachvollziehbare Gründe, noch Erklärungen seitens der Börsenbetreiber gibt. Das Schema ist recht einfach: Zu volumenschwachen Zeiten werden große Mengen Buchgold im Gegenwert von mehreren Milliarden US Dollar binnen weniger Minuten am Markt veräußert, der natürlich nicht in der Lage ist, diese Mengen zu absorbieren. In der Folge bricht der Kurs ein. Am 12.04.2013 wurden in den frühen Handelsstunden in London sogar über 400 Tonnen auf einmal abgestoßen. Jemand der zu möglichst hohen Preisen am Markt verkaufen möchte, würde sicher eine andere Strategie verfolgen.
Ein nicht zu verachtender Teil der Marktteilnehmer richtet sein Handeln nach charttechnischen Widerständen, Unterstützungen und Trendsignalen aus. Spekulative Attacken wie die beschriebenen beenden oftmals einen positiven Trend oder drücken Gold unter wichtige Kursgrenzen, was das Anlegerverhalten negativ beeinflusst und Käufer verunsichert. Durch Stop-Loss-Aufträge oder Computer-gestützten Handel können diese Impulse wahre Verkaufswellen auslösen und sogar am physischen Markt das Angebot spürbar erhöhen.
Für kurzfristig orientierte Anleger macht das den gewinnorientierten Handel natürlich schwierig, da trotz starker Fundamentaldaten jederzeit spekulationsgetriebene Rücksetzer möglich sind. Langfristig stellen die künstlich niedrigen Kurse wiederum sehr gute Einstiegsmöglichkeiten dar. Die starken Kursgewinne seit 2003 deuten darauf hin, dass das physische Pulver zur Intervention bereits sehr knapp geworden sein könnte und selbst die Wirksamkeit der Buchgoldmanipulation ihre Grenzen hat.