Kommentar

Die deutsche Glücksspielregulierung ist eine verpasste Chance

GoldGeldWelt Redaktion - 19.09.2022

Der deutsche Markt für Glücksspiel im Internet wurde neu reguliert. Dabei hat der Gesetzgeber eine große Chance verpasst. Deutschland hätte mit geringem Risiko und allenfalls niedrigen Kosten für die öffentliche Hand zu einem Vorzeigeland der Blockchainpraxis werden können.

Glücksspiel im Internet war in Deutschland lange illegal – an der Zahl der mit wenigen Klicks verfügbaren Onlinecasinos hatte dies nichts geändert. Nicht zuletzt deshalb hat der Gesetzgeber nach langem Ringen den neuen Glücksspielstaatsvertrag beschlossen. Dieser trat zum 01.07.2021 in Kraft. Onlinecasinos sind – vorbehaltlich einer deutschen Lizenz – nun legal.

Die neue Regulierung ist jedoch denkbar einfallslos. Der Glücksspielmarkt im Internet hätte die Chance geboten, neue Technologien zu testen – und zwar ohne dabei kritische Strukturen aufs Spiel zu setzen oder immens hohe Ausgaben zu tätigen. Insbesondere die Implementierung der Blockchain-Technologie in die neuen Glücksspielangebote hätte Deutschland technologisch ein Stück vorangebracht.

Deutschland hätte mit geringem Risiko zum Blockchain-Land werden können

Deutschland erteilt nun Lizenzen an Onlinecasinos, die genauso funktionieren, wie sie überall auf der Welt funktionieren. Mit etwas Innovationshunger wäre eine ganz andere Lösung denkbar gewesen. Warum erteilt Deutschland Lizenzen nicht nur Betreibern, die auf Basis der Blockchain arbeiten?

Die Blockchaintechnologie gilt in vielen Bereichen als Zukunftstechnologie. Bislang beschränken sich die Anwendungen jedoch auf wenige und häufig auch recht spezielle Fälle, die zumal allzu oft noch wie ein reines Produkt der Kryptowelt wirken.

Mit einem anderen Regulierungsstandard hätte der Gesetzgeber einen groß angelegten Einsatz der Technologie in der wirtschaftlichen Praxis initiieren können.

iGaming Branche sieht in Blockchain Potenzial

Die Glücksspielindustrie – die sich selbst als iGaming Branche bezeichnet – sieht jedenfalls Potenzial in der Technologie. Die Blockchain als dezentrales Kassenbuch hätte neue Möglichkeiten eröffnet. Dies beginnt bereits bei den Zahlungsvorgängen, die aus Sicht der Casinos kostenintensiv und für Verbraucher oft langwierig sind.

In einem normalen virtuellen Casino zahlen Spieler Geld auf ein Kundenkonto ein und heben es zu einem späteren Zeitpunkt ab (wenn es nicht vollständig verspielt wurde). Die Spieler müssen sich dabei darauf verlassen, dass das Casino auch zur Auszahlung bereit ist und nicht plötzlich irgendwelche Klauseln in den AGB entdeckt, die einer Auszahlung entgegenstehen.

In einem blockchainbasierten Casino wäre es möglich, Spieler über ihre eigene Wallet spielen zu lassen – ohne dass diese ihre Guthaben jemals aus der Hand geben müssen. Für Casinos würden die kostspieligen Zahlungsvorgänge entfallen.

Doch das ist nicht alles. Die Blockchain ermöglicht auch eine unabhängige und transparente Kontrolle der Ergebnisse von Glücksspielen. Laufen alle Einsätze und Gewinnauszahlungen über ein dezentrales Kassenbuch, kann auch jeder Interessierte nachprüfen, ob der Hausvorteil des Casinos möglicherweise ungewöhnlich groß ausfällt.

Durch den Einsatz von Smart Contracts, die über eine Blockchain ausgeführt werden, lassen sich diverse weitere Einsatzmöglichkeiten erahnen.

Blockchain als Zukunftstechnologie in zahlreichen Branchen

Ein breit angelegter Praxiseinsatz der Blockchain im deutschen Glücksspielsegment hätte Deutschland dieser Technologie auch in anderen Bereichen nähergebracht.

Die Vorteile - Datenintegrität, Zuverlässigkeit, hohe Geschwindigkeit und Transparenz – kommen weit über den Glücksspielsektor hinaus zum Einsatz. So etwa im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, bei Kapitalmarkttransaktionen, bei Maßnahmen gegen Geldwäsche, im Gesundheits- und Energiewesen und noch vielen weiteren Bereichen.

Die Chancen, die die Glücksspielregulierung in dieser Hinsicht geboten hätte, hat der Gesetzgeber verpasst. Dabei wären nicht einmal öffentliche Gelder größeren Ausmaßes erforderlich gewesen. Durch entsprechende Lizenzauflagen hätten die Glücksspielbetreiber zum Einsatz der Technologien verpflichtet werden können.

Kooperationspartner etwa im Finanzsektor hätten sich sicher gefunden – zumal die Technologien außerhalb des regulierten Marktes bereits einsatzbereit oder zumindest weit fortentwickelt zur Verfügung stehen.

Der deutsche Glücksspielstaatsvertrag: Es weht der Geist der Überregulierung

Die deutsche Glücksspielgesetzgebung wird allerdings nicht nur dafür kritisiert, die Blockchain links liegen gelassen zu haben.

Der Branchenverband EGBA (European Gaming And Betting Association) hat eine Wettbewerbsbeschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Der Grund dafür ist die umstrittene Besteuerung von Einsätzen, die der Gesetzgeber 2021 im Wege einer Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes  eingeführt hatte.

Doch auch der Glücksspielstaatsvertrag wird für einen kaum zu übersehenden Geist der Überregulierung kritisiert. So gibt es sehr strenge (und behördlich kontrollierte) Beschränkungen von Einzahlungen und Einsätzen, die deutlich schärfer sind als im internationalen Wettbewerb. Kritiker befürchten, dass die Ziele des deutschen Staatsvertrags – die Kanalisierung des Internetglücksspiels in inländisch lizenzierte Bahnen – dadurch verfehlt werden könnten.

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