GoldGeldWelt Redaktion
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02.02.2021
Die Verblüffung auf dem Börsenparkett war groß, als in den vergangenen Wochen die Aktien eines eigentlich stark angeschlagenen Unternehmens – des US-Videospielhändlers GameStop Corp. (GME) – in einer bizarren Kursperformance ihren Wert vervielfachten. Eine Entwicklung, die so manchen Shortseller arg in die Bredouille brachte. Nun scheint sich etwas Ähnliches auf dem Silbermarkt anzubahnen. Unter dem Hashtag #silversqueeze bringt eine Online-Bewegung von Kleinanlegern den Silberkurs zum Höhenflug: Zur Freude von Silber-Explorern und Produzenten, zum Entsetzen von Hedgefonds, Shortsellern und Co. Was ist geschehen?
Reddit ist eine – im deutschsprachigen Raum weniger bekannte – Social Media-Plattform in Form eines Messageboards mit diversen Unterforen zu verschiedensten Themen. Im Board „WallStreetBets“ treffen sich angehende (und, wie es scheint, zwischenzeitlich auch professionelle) Investoren, um sich über die Welt der Wertpapiere auszutauschen. „WallStreetBets“ hat 3 Millionen Follower alleine auf Reddit. Das ist eine ernstzunehmende Personengruppe.
Wie funktioniert ein „Squeeze“?
Getreu dem Motto „gemeinsam sind wir stark“ haben es sich börsenaffine Gruppierungen auf „WallStreetBets“ nun zur Aufgabe gemacht, mit koordinierten und konzertierten Transaktionen missliebigen Playern im Börsengeschäft Paroli zu bieten. Dazu gehören zum Beispiel Shortseller, deren Handelsmethode darauf fußt, auf fallende Kurse eines Unternehmens zu wetten.
Den Kleininvestoren, die sich in Boards wie eben „WallStreetBets“ organisiert und versammelt hatten, war es gelungen, durch ihre Ankäufe professionelle Leerverkäufer dazu zu bringen, deren Positionen unter hohen Verlusten aufzugeben.
Die Strategie: Das massenhafte Aufkaufen (und damit die Preissteigerung) von leerverkauften Aktien. Damit geraten die etablierten Leerverkäufer unter Druck. So hatten sich die Aktien des US-Videospiel-Händlers GameStop Corp. (GME) seit Mitte Januar um das 17-fache erhöht. Zum Ankauf der nun überteuerten Aktien zur Erfüllung ihrer Kontrakte verpflichtet, werden die Shortseller buchstäblich finanziell „ausgequetscht“ (daher: squeeze). Eine Abrechnung mit jenen, die mit ihren Short-Attacken auf gesunde Unternehmen diesen und deren Aktionären erheblichen Schaden zugefügt haben. Auf diese Weise hatte die „WallStreetBets“-Bewegung zum Beispiel den bekannten Shortseller Melvin Capital in die Knie gezwungen.
Nächstes Ziel: Der Silbermarkt
Was mit Unternehmensaktien funktioniert hat, setzt sich nun angeblich in einem anderen Marktsegment fort: Die Bewegung bereitet ihren Angriff auf den Edelmetallsektor vor. Denn auch dort unterstellt man Marktmanipulation. Handels-Mechanismen zwischen Hedge-Fonds, Short-Sellern und Banken sorgen nicht selten für anhand von Wirtschaftsfaktoren nicht nachvollziehbare Kursbewegungen.
Im Fokus von „WallStreetBets“ steht vor allem der iShares Silver Trust (SLV). Bei diesem handelt es sich um das größte börsengehandelte, durch Silber gedeckte Börseninstrument. Der Squezze-Angriff auf diesen Trust legitimiert sich durch die Hypothese, Banken und Co. würden ihre Gold- und Silberpreise aktiv manipulieren. Tatsächlich gab es in der Vergangenheit schon mehrfach Gerichturteile gegen Großbanken, die jenen ebensolche Praktiken untersagten.
Konzertierte Aktion auf dem Silber-Parkett
Ein Nutzer des „WallStreetBets“-Reddit-Forums mit dem Alias „thehappyhawaiian“ hatte detailliert über die Durchführung eines „Short Squeeze“ für Silber berichtet und bekam darin schnell Verstärkung.
Verkürzt dargestellt, forderte der User dazu auf, SLV-Aktien (oder PSLV-Aktien, das ist der „Sprott Physical Silver Trust“) und SLV-Call-Optionen zu kaufen, um die physische Lieferung von Silber an die SLV-Tresore zu erzwingen. Der „Gegner“ auf Händlerseite sei in diesem Fall zum Beispiel das Bankhaus JP Morgan. Ziel sei es, einen viel höheren Prozentsatz der Futures-Kontrakte zu zwingen, physisches Silber zu liefern. Da aber de facto zu wenig physisches Silber vorhanden ist, würden sich die Silberpreise auf dem freien Markt unweigerlich erhöhen. Durch den Zwang der Händler, Lieferverträge zu erfüllen, wenn zu wenig physisches Silber vorhanden ist, könnte sich demnach ein Kaskadeneffekt aufbauen, der zu einer exorbitanten Wertsteigerung führen und die Shorthändler in Schwierigkeiten bringen dürfte.
Eine weitere Folge wäre der drohende Ausverkauf und Lieferengpässe für physisches Gold. Die Verknappung ist hausgemacht: In der Vergangenheit wurde zu wenig neues Silber produziert. Oft wird Silber als Nebenprodukt anderer Metalle gefördert. Viele Junior-Unternehmen, die die Lagerbestände auffüllen könnten, sind noch Jahre vom Produktionsstart entfernt. Es gibt weit mehr „Papier-Silber“ als echtes Metall.
Die Follower des „WallStreetBets“-Boards wagen also nun Einlagen in Silber, äußerte sich Phil Streible, der Chef-Marktstratege bei Blue Line Futures LLC in Chicago, in einem Interview gegenüber Bloomberg zu den aktuellen Ereignissen. Silber sei für die Investoren ein leicht zu identifizierendes Ziel.
„Silberaktien“, so bestätigte Peter Schiff, CEO von Euro Pacific Capital in einem Twitter-Post, seien billig und gleichwohl ein guter Investitionswert. Indem die Bewegung auf Silber umsteige, zeige sich, dass die Reddit-Händler nun überlegter vorgingen.
Bemerkenswert an der ganzen Szenerie ist, dass der Anstieg in den Silberkursen nicht – wie bei Edelmetallen üblich – durch wie auch immer geartete globale Ereignisse beeinflusst wird, sondern durch eine Gruppierung von Menschen auf einem Forum, die aktiv in die Edelmetallmärkte eingreifen wollen. So äußerte sich Bob Haberkorn, der Senior-Marketing-Stratege bei RJO Futures, ebenfalls im Bloomberg-Interview.
Großhändler vor Versorgungsproblemen
Und tatsächlich: Anleger aus der ganzen Welt kauften übers Wochenende praktisch alles auf, was an Silberwerten zu ergattern war - ein in der Geschichte beispielloses Ereignis.
In den 24 Stunden vor Marktschluss am vergangenen Freitag, so fasst Tyler Wall, Geschäftsführer des Edelmetallhandelsunternehmens SD Bullion auf der Internetseite zerohedge.com zusammen, habe man beinahe die zehnfache Anzahl von Silberunzen verkauft, wie an einem normalen Wochenende üblich. Das führte dazu, dass Lieferanten, die üblicherweise bereit wären, eine gewisse Menge physisches Gold zu an SD Bullion zu verkaufen, sollte Wochenende eine Long-Position überschritten werden, angesichts der Entwicklungen zögerten, dies zu tun. Es gab am Wochenende nur noch wenige Lagerbestände, um diesen Gap aufzufangen. Wall bezeichnet die Verkäufe im Januar als einen Rekordmonat in der Geschichte des Unternehmens.
Nicht nur SD Bullion, sondern praktisch alle großen Edelmetallhändler vermeldeten am Wochenende, ausverkauft zu sein.
Steigende Kurse für physisches Silber und Wertpapiere
Mittlerweile machen fast sieben Millionen Anleger beim Silver-Squeeze mit. Schon zeigen sich die Auswirkungen auf andere Marktsegmente: Die Outperformance von Gold führte die Gold-Silber-Ratio auf den niedrigsten Stand seit 2014. Gold-Anleger sehen sich derweil mit einem Mangel an physischem Gold konfrontiert. US-Aktien-Fonds rauschen in den Keller.
Am Freitagabend verzeichnete der Silber-ETF iShares Silver Trust (USA: SLV) an nur einem Tag einen Zufluss von 943,62 Millionen USD. Am Sonntag betrugen die Kursanstiege für Silber-Futures bereits 8 Prozent, der Spotpreis kletterte auf 29 USD.
Das führte dazu, dass Unternehmen wie das produzierende kanadische Silberunternehmen First Majestic Silver ein Kursplus von bis zu 39 Prozent (Stand am Donnerstag) verbuchen konnte. Der Spotpreis für Silber legte um 6,8 Prozent zu – das sind die größten Kurssprünge seit August vergangenen Jahres.
Der Silber-ETF SLV hatte im Zuge der Marktbewegung bis jetzt knapp 34,5 Millionen Unzen Silber zukaufen müssen. Der Kursanstieg beim Silberpreis wirkt aktuell im Vergleich zu dem, was mit der GameStop-Aktie geschah, zwar noch bescheiden, und es ist davon auszugehen, dass es über den Terminmarkt Versuche einer Gegensteuerung geben wird. Zwischenzeitlich hatte die COMEX (New York Commodities Exchange) den Silberpreis auch wieder „einfangen“ können - vorerst.
Broker greifen ein, Experten nehmen Stellung
Anlegerplattformen wie „Robin Hood“ und andere Broker, unter ihnen auch der deutsche Anbieter Trade Republic, hatten zwischenzeitlich den Aktienverkauf eingeschränkt, um weitere Auswüchse verhindern – zum Unverständnis von Kollegen wie Hannes Huster vom „Goldreport“, der Einschränken bei liquiden ETFs wie dem SLV oder Aktien großer liquider Unternehmen nicht nachvollziehen kann.
Der bereits tausendfach gelesene Artikel von Markus Blaschzok auf Miningscout zum Silber Short-Squeeze sorgt derweil für Kontroversen. Der geschätze Kollege und Edelmetallexperte weist darauf hin, dass bereits in den letzten 20 Jahren das Open Interest ausstehender Kontrakte am Terminmarkt stark hätte anwachsen müssen, wenn es dauerhafte, nackte Shortpositionen am Terminmarkt gäbe. Das Open Interest am Silbermarkt habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten jedoch lediglich von 75 Tsd. auf 160 Tsd. Kontrakte verdoppelt, was durch die Inflation und dem wachsenden Handel in diesem Markt zu erklären sei. Seine Schlussfolgerung: Es gibt keine nackten Shortpositionen. 46% aller Terminkontrakte seien aktuell mit Silber gedeckt.
Viele Gerüchte hätten jedoch einen wahren Kern, so Blaschzok. Und so sei es auch mit der Manipulation am Silbermarkt. Es gäbe zwar keinen gigantischen Short-Trade, der über Jahrzehnte den Silberpreis unten gehalten hätte, doch gäbe es einen oder höchstens vier große Händler, die regelmäßig zyklisch den Terminmarkt „cornern“, bzw. eine kurzzeitig marktbeherrschende Position einnehmen, immer dann, wenn der Silberpreis stark angestiegen war. Einer dieser „Big Four“ der Silberpreis-Manipulatoren ist die US-Großbank JP Morgan, die eine signifikante Shortposition bei der Insolvenz von Bear Stearns geerbt hatte.
Manche bezeichnen #silversqueeze als Ablenkungsmanöver, um Kapital von GME auf SLV umzuleiten und so die Hedge-Fonds zu retten. Andere rufen dazu auf physisches Silber zu kaufen, um so den Markt auszutrocknen.
Der Analyst Eugen Weinberg von der Commerzbank schätzt zwar ein, dass es sich beim Einfluss der Privatanleger auf Silber um ein kurzlebiges Phänomen handeln dürfte und langfristig wieder die industrielle und institutionelle Nachfrage wieder die Marktmechanismen lenken wird.
Die „Kleinanleger“ könnten allerdings zwischenzeitlich Verstärkung durch sympathisierende und finanzstarke Profis erhalten haben, die mit ihren Finanzmitteln die Bewegung stärken – anders lassen sich die großen Beträge, die bei den Einkäufen in den SLV-EFT in Bewegung waren, kaum erklären.
Anleger behalten Silber, Unternehmen verzeichnen Gewinne
Wie immer der Silver-Squeeze sich entwickeln mag, es zeichnen sich bereits bemerkenswerte Nebeneffekte ab: Anleger entscheiden sich dazu, ihre Silberwerte zu behalten statt Gewinne abzuschöpfen. Indes beschäftigen Börsen-Newcomer aus den Reihen der Reddit-Bewegung sich erstmals ernsthaft mit Edelmetallwerten. Es bildet sich somit eine neue Investorengeneration heran, von der der gesamte Edelmetallmarkt profitieren dürfte.
Nutznießer des aktuellen Preisboom sind neben dem erwähnten „Musterunternehmen“ der WallStreetBets-Bewegung, First Majestic Silver, des Weiteren Anbieter wie Fortuna Silver, Hecla oder auch Pan American – und, auf Seiten der jungen Explorationsunternehmen, Canada Silver Cobalt Works.
Canada Silver Cobalt Works im Aufwind dank Silver-Squeeze und Sensationsfund
Nicht nur der Silberkursanstieg durch die Silver-Squeeze-Bewegung zeigt erfreuliche Auswirkungen auf die Unternehmensaktien von Canada Silver Cobalt Works aus Coquitlam, British Colombia. Ganz unabhängig von den Silberhandelsturbulenzen vermeldete der kanadische Explorer am Freitag neue Silbergehalte, die bei Bohrungen auf dem Flaggschiffprojekt Castle in Nord-Ontario ermittelt worden waren. Canada Silver Cobalt Works schloss den Handel am Freitag mit einem sagenhaften Plus von 20 Prozent ab.
Bohrloch CS-20-39 brachte einen Abschnitt von 0,3 Metern Länge zutage, der einem Silbergehalt von exorbitanten 89.853 Gramm Silber pro Tonne aufwies. Das entspricht 2.621 Unzen pro Tonne.
Dieses sensationelle neue Bohrergebnis übertrifft alle in den vergangenen Wochen kommunizierten Bohrergebnisse, darunter 70.380 Gramm Silber (2.053 Unzen) pro Tonne Erz.
Matt Halliday, der Vorstandsvorsitzende von Canada Silver Cobalt Works sieht damit erneut das bedeutende Potenzial für die Entdeckung weiterer Mineralisierungen am Hauptziel des Projektes, der Robinson-Zone bestätigt. Der Bohrkern stamme aus einem weniger als sechzig Meter vom Haupterzgang entfernten Bereich. Bei der Analyse des Metallpulvers wurde ein barrentauglicher Gehalt von 90 Prozent reinem Silber festgestellt. Mit Richtbohrungen werde nun näher untersucht, wie genau die Ausmaße der mineralisierten Struktur bemessen sind.
Erst kürzlich hatte Canada Silver Cobalt Works einen Bohrkern mit einer visuell ähnlichen hochgradigen Silbermineralisierung präsentiert. Für Newsflow mit ähnlichen Erfolgsmeldungen sollte also auch in der Zukunft gesorgt sein.