GoldGeldWelt Redaktion
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08.02.2022
Ein kleiner Satz in der 177-Seiten starken Koalitionsvereinbarung sorgte für viel Geraschel im Blätterwald und ließ die Aktie eines deutschen Unternehmens in die Höhe schnellen: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ SynBiotic wurde auf einen Schlag zu einem der wertvollsten Unternehmen in der hart umkämpften Cannabis-Branche.
Der Blick über den Atlantik
Seine Herausragende Stellung verdankt das Münchner Unternehmen allerding auch enttäuschten Anlegererwartungen jenseits des Atlantiks. Ähnlich wie die SynBiotic-Aktie nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags schossen die Aktien der in den USA vertretenen Player nach der Wahl Joe Bidens in die Höhe. Schließlich hatte Andrew Bates, der damalige Pressesprecher des Biden-Wahlkampfteams, verlautbaren lassen, dass der demokratische Präsidentschaftskandidat hinter einer Entkriminalisierung von Cannabis auf Bundesebene stehe. Zudem stimmten am Wahltag mit Arizona, New Jersey, South Dakota und Montana die Bürger vier weiterer Bundesstaaten für die Legalisierung. Es herrschte Goldgräberstimmung am Cannabismarkt, die durch die WallStreetBets-Bewegung noch weiter angeheizt wurde. Im Verlauf des Jahres 2021 folgte dann jedoch die Ernüchterung. Corona sorgte dafür, dass im Lockdown die in einigen Staaten bereits vorhandenen Verkaufsstellen zwischenzeitlich schließen mussten, wodurch die Produzenten auf ihrer Ware sitzen blieben. Zudem rückten durch das Virus auch auf politischer Ebene etwaige Entkriminalisierungspläne in der To-do-Liste nach unten.
Der aktuelle Tiefstand könnte für Anleger genau der richtige Zeitpunkt für einen Einstieg sein, denn auf lange Sicht dürften die Unternehmen immer noch von einem starken Marktwachstum profitieren. Der „Der Global Cannabis Report“ des Marktforschungsunternehmens Prohibition Partners rechnet mit einem Anstieg des weltweiten Marktumsatzes von 37,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf 102 Milliarden US-Dollar im Jahr 2026. Welche Unternehmen sich dabei auf lange Sicht wirklich durchsetzen lässt sich schwer sagen, da sich der ganze Markt noch entwickelte und auch das letzte Jahr von diversen Übernahmen beherrscht war. Gute Aussichten auf einen Preisanstieg durch mögliche anstehende Gesetzesänderungen dürften aber die folgenden Unternehmen haben.
Der deutsche Markt
Der Standortfaktor könnte für beheimatete Unternehmen ein Vorteil sein, auch wenn etablierte kanadische Produzenten schon Ihre Fühler ausgestreckt haben. Seit 2018 ist der kommerzielle Vertrieb dort ohne große Einschränkungen möglich. In nur weniger Jahren entstand so ein Milliardenmarkt. Die Unternehmen profitierten dabei auch von der zunehmenden weltweiten Liberalisierung und sind mittlerweile zu global Playern avanciert.
SynBiotic (WKN: A3E5A5 ISIN: DE000A3E5A59)
SynBiotic setzt auf Cannabis vor allem als Mittel in der Schlaf-, Schmerz-, und Angsttherapie und adressiert damit den europäischen Markt. Wie erwähnt profitierte das Münchener Unternehmen von der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags, allerdings hat der Kurs seither deutlich nachgegeben. Corona sorgt auch hier für Dämpfer. Auf die Frage, wann mit dem Beginn einer kontrollierten Abgabe zu rechnen sei, antwortete Justizminister Marco Buschmann: »Bei Änderungen im Betäubungsmittelgesetz ist das Bundesgesundheitsministerium federführend. Und für jeden ist im Moment erkennbar, dass das Ministerium und der neue Minister, Karl Lauterbach, jetzt mit der Pandemiebekämpfung alle Hände voll zu tun hat.« Somit könnte auch hier ein guter Zeitpunkt für einen Einstieg gegeben sein.
Tilray (WKN: A2JQSC ISIN: US88688T1007)
Seit dem Zusammenschloss mit Aphria im letzten Jahr ist das kanadische Unternehmen Tilray der weltweit verbreitetste Cannabisproduzent. Auf dem deutschen Markt ist man dabei bereits mit medizinischen Cannabisprodukten tätig. "Wir konzentrieren uns jetzt auf die Umsetzung unserer höchsten Renditeprioritäten, einschließlich der Geschäftsintegration und Beschleunigung unserer globalen Wachstumsstrategie. Die Covid-19-bedingten Schließungen haben einzigartige Herausforderungen auf den kanadischen und deutschen Märkten mit sich gebracht. Während diese Märkte beginnen, wieder zu öffnen, ist Tilray bereit, die Branche mit unserer hochgradig skalierbaren operativen Präsenz, einem kuratierten Portfolio verschiedener medizinischer und für Erwachsene bestimmter Cannabismarken und -produkte, einem Vertriebsnetz auf mehreren Kontinenten und einer robusten Kapitalstruktur anzugreifen und zu verändern, um unsere globale Expansionsstrategie zu finanzieren und nachhaltige Rentabilität und langfristigen Wert für unsere Stakeholder zu schaffen," verkündete Tilray-Chef Irwin Simon wenig später. Das Koalitionspapier dürfte er wohlwollend zur Kenntnis genommen haben.
Aurora (WKN: A2P4EC ISIN: CA05156X8843)
Mit medizinischem Cannabis ist das Unternehmen neben dem Heimatmarkt Kannada auch in Deutschland und zehn weiteren Ländern aktiv. Einen Teil seines Umsatzes macht es zudem durch den Vertrieb von Cannabisprodukten als Genussmittel in Kanada und den USA. Mit Blick auf die Märkte in den USA und Deutschland hätte Arora-Chef Miguel Martin keine Probleme "in das globale Freizeitgeschäft für Erwachsene zu expandieren, wenn sich die medizinischen Regelwerke weiterentwickeln."
Der US-Markt
Die Situation bleibt ohne eine klare Bundesgesetzgebung kompliziert. Produzenten müssen für jeden Staat eine eigene Lizenz erwerben und dabei die unterschiedlichen Rahmenbedingungen beachten. Zudem ist es für diese Unternehmen unmöglich einen Bankkredit aufzunehmen, solange Cannabis auf Bundesebene weiterhin als illegal eingestuft wird. Einige Unternehmen haben sich dennoch trotz aller Widrigkeiten eine gute Marktposition erarbeitet und dürften von einer Legalisierung auf Bundesebene besonders profitieren.
Curaleaf (WKN: A2N8GY ISIN: CA23126M1023)
Das Unternehmen aus Wakefield, Massachusetts ist in 23 US-Bundesstaaten aktiv, konzentriert sich dabei aber vor allem auf die Bevölkerungsreichen Staaten Arizona, Illinois, Massachusetts, New Jersey, New York, Pennsylvania und Florida. Im April 2021 schloss man zudem die Übernahme von EMMAC Life Sciences Limited ab und erhält damit auch eine Lizenz zur Verarbeitung und den Vertreib in Deutschland und anderen europäischen Märkten.
Truelieve (WKN: A2N60S ISIN: CA89788C1041)
Das Unternehmen aus Florida besitz die größte operative Einzelhandels-, Anbau- und Produktionsfläche für Cannabis des Landes. Dabei besitzt es die Lizenz zum Vertreib seiner Produkte in elf US-Bundestaaten und ist in Arizona, Florida und Pennsylvania marktführend. Mit der Übernahme von Harvest Health im letzten Jahr unterstreicht das Unternehmen seinen Anspruch diese Position auch in anderen Staaten auszubauen.
Ayr Wellness (WKN: A2QPFE ISIN: CA05475P1099)
Das Vorgehen von Ayr Wellness in der jüngeren Vergangenheit wirkt ein wenig wie ein direkter Angriff auf den Heimatmarkt von Truelieve in Florida. Erst im Februar 2021 drang man mit der Übernahme von Liberty Health Sciences und seinen 31 Verkaufsstellen in den Markt ein. Mittlerweile hat man dort 13 weitere Geschäfte eröffnet und angekündigt, dass dieses Jahr mindestens 21 weitere folgen sollen. Nachdem das Unternehmen Anfang des Jahres seinen Hauptsitz aus New York nach Florida verlagerte, um die dortige Expansion zu fokussieren, eröffnete man vor Ort wenig später auf einer Einzelhandelsfläche von 2700 Quadratmetern eine Art Cannabis-Superstore.
Green Thumb Industries (WKN: A2JN3P ISIN: CA39342L1085)
Gegenwind kommt auch aus der Windy City. Das in Chicago beheimatete Unternehmen Green Thumb Industries verfügt über Niederlassungen in insgesamt 14 US-Märkten. Im letzten Jahr weitete man das Geschäftsfeld mit den Übernahmen von Dharma Pharmaceuticals in Virginia und LeafLine Industries in Minnesota weiter aus.