GoldGeldWelt Redaktion
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16.12.2019
„Trump-Effekt lässt Goldpreis weiter steigen!“ Wer den Edelmetallmarkt und die Entwicklung des Goldpreises verfolgt, liest solche und ähnliche Schlagzeilen am laufenden Band. Täglich werden in den Medien neue Meldungen veröffentlicht, die jede noch so kleine Kursschwankung kommentieren und interpretieren.
Wer sich der Informationsflut an Marktkommentaren zu sehr hingibt, kann überwältigt von retrospektiven Interpretationen leicht den Blick für die wesentlichen, fundamentalen Gründe verlieren, weshalb sich Assetpreise entwickeln wie sie es tun.
Obwohl oberflächliche retrospektive Kursinterpretationen in allen Bereichen der Finanzwelt Anleger mehr verwirren als erleuchten, möchte ich in diesem Artikel speziell für Goldanleger erklären, was Gold meiner Meinung nach wirklich bewegt und warum ich denke, dass Donald Trump, der „Handelskrieg“, der Brexit und die meisten anderen politischen Unsicherheitsfaktoren ziemlich irrelevant für die langfristige Entwicklung des Goldpreises sind.
Gold kommt zurück, aber warum eigentlich?
Vor allem durch den Anstieg des Goldpreises auf derzeit knapp 1500 USD kommt wieder spürbar mehr Leben in die Edelmetallbranche. Während die meisten institutionellen und privaten Anleger Gold und Silber noch immer nicht als essenziellen Portfoliobestandteil akzeptieren und auch die starken Fundamentaldaten für Edelmetallinvestments verkennen, häufen sich Meldungen über berühmte Anlagemanager, Milliardäre und andere einflussreiche Investoren, die zur großen Überraschung der Finanzwelt plötzlich Gold kaufen.
Die Erklärungsversuche der Finanzpresse für steigende oder sinkende Goldpreise nehmen sehr oft auf aktuelle politische Meldungen Bezug. Die „allgemeine politische Unsicherheit“ hat zugenommen, heißt es. Das zumindest suggeriert uns nicht nur die „Mainstream-Presse“, sondern auch die alternative Medienlandschaft. Bevor ich mich den Auswirkungen von konkreten politischen Ereignissen auf den Goldpreis widme, möchte ich zunächst diese allgemeine These kritisch auf den Prüfstand stellen.
Nimmt die politische Unsicherheit tatsächlich zu?
Das Ergebnis meiner Analyse ist, dass die Welt tatsächlich politisch unsicherer geworden ist, jedoch aus ganz anderen, als den viel propagierten und vermeintlich offensichtlichen Gründen rund um Donald Trump und Populismus. „Die Wahrheit hat nichts zu tun mit der Zahl der Leute, die von ihr überzeugt sind“, mahnte einst schon der französische Schriftsteller und Diplomat Paul Claudel.
Vor allem größere kriegerische Eskalationen sind natürlich ein politisches worst-case-Szenario und sollten auch zu Friedenszeiten niemals unterschätzt werden. Doch sind die politischen Spannungen heute wirklich größer als früher? Ich sage nein.
Wir hatten in den letzten Jahrzehnten am laufenden Band irgendwo auf der Welt Spannungen, Krisen und Kriege. Auch wenn heute ein stark polarisierender US-Präsident keine Konflikte scheut, die EU an den gewaltigen Herausforderungen einer ungleichen Staatengemeinschaft, an bürgerferner Bürokratie und den Folgen der Einführung einer von Anfang an fehl-konzipierten Gemeinschaftswährung krankt und viele weitere geopolitische Spannungen herrschen, kann ich die Aussage, die Welt sei von der rein politischen Seite generell unsicherer geworden, nicht unterschreiben. Jede Zeit hat ihre Krisen, wir neigen jedoch aus psychologischen Gründen dazu, direkte, eigene Erfahrungen im historischen Kontext überzubewerten.
Einer der Gründe für tatsächlich zunehmende politische Unsicherheit liegt in der steigenden Komplexität und Vernetzung unserer Welt. Während dieser allgemeine Trend ganz natürlich ist und in vielen Fällen auch sehr positiv in Erscheinung tritt, hat er leider auch zur Folge, dass unvorhersehbare negative Ereignisse (sogenannte Schwarze Schwäne) sich leichter global ausbreiten können und zu einer unsichtbaren und unkalkulierbaren Bedrohung globaler komplexer Systeme, z.B. den Finanzmärkten werden, was direkten Einfluss auf Politik und Gesellschaft hat.
Hinzu kommt, dass auch die Fragilität unseres wirtschaftlichen und politischen Systems zunimmt, da wichtige marktwirtschaftliche Grundprinzipien, vor allem bei uns in der westlichen Welt, Schritt für Schritt ausgehebelt werden. Selbst in den USA, dem vermeintlichen Mutterland des Kapitalismus, wirken selbst heute, unter republikanischer Führung, starke planwirtschaftliche Kräfte, die am freiheitlichen Fundament der Gesellschaft nagen.
Die Insolvenzverschleppung bankrotter Staaten und Unternehmen durch neue Kredite, die Vergesellschaftung von Risiken im Banken- und Versicherungssektor (too-big-to-fail), die Aufblähung der Schuldenlast über die Grenzen der Refinanzierbarkeit hinaus, eine extreme quantitative Ausweitung der Geldmenge, verbunden mit der Manipulation des Zinses in niedriges oder sogar negatives Niveau (was im Übrigen die Assetpreise steigen lässt und somit die Arm-Reich-Schere weitet), sind nur einige planwirtschaftliche Vergehen unserer politischen Eliten, die heute und zukünftig zu den wahrscheinlich fundamentalsten Ursachen politischer Unsicherheiten gehören.
Was Gold wirklich bewegt
Gold ist als nicht beliebig inflationierbare, harte Währung, ein perfekter Inflationsschutz. Während wir aktuell (zumindest nach offiziellen Zahlen) kaum Inflation haben, versuchen Notenbanken wie die US-amerikanische Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) aktiv Inflation zu erzeugen. Dies geschieht unter anderem über die Ausweitung der Geldmenge in Verbindung mit Anleihen-Aufkäufen und durch die Manipulation des allgemeinen Zinsniveaus durch Festsetzung eines Leitzinses.
Ich bin überzeugt davon, dass der jüngste Anstieg des Goldpreises auf zeitweise über 1500 USD maßgeblich von der für die meisten Analysten und Marktteilnehmer überraschenden Abkehr von der zuvor angekündigten US-amerikanischen Zinswende hervorgerufen wurde. Ich habe bereits in einem Marktreport im Jahr 2016 auf goldgeldwelt.de für alle Leser öffentlich prognostiziert, dass die angekündigte Normalisierung der Zinsen nicht vollzogen wird und uns sowohl im amerikanischen, als auch im europäischen Raum für viele weitere Jahre Niedrigzinsen oder sogar Null- oder Negativzinsen bevorstehen.
Geldmengenausweitungen wirken in der Regel positiv auf den Goldpreis und auch andere Assetpreise wie Aktien und Immobilien, da direkt Inflation erzeugt wird. Selbst wenn sich diese nicht sofort in Preisinflation von Waren und Dienstleistungen zeigt, steht durch solche monetären Eingriffe einer gesteigerten absoluten Geldmenge im System die gleiche Menge an Sachwerten gegenüber.
In einem Umfeld niedriger oder sogar negativer Zinsen erleben wir zudem einen weiteren faszinierenden Effekt: Die Nachfrage nach Gold steigt, da es als Defensiv-Allokation in Portfolios vermehrt mit vermeintlich risikofreien Staatsanleihen konkurriert. Sogar für wenig Gold-affine Anlagemanager macht es irgendwann mehr Sinn, Gold zu kaufen, als dem deutschen Staat zu Negativzinsen (also mit garantiertem Verlust) Geld zu leihen.
Natürlich sind auch andere Faktoren wichtig für den Goldpreis, wie z.B. die Stärke des US-Dollars, Zentralbank-Käufe und in Ansätzen sogar die allgemeine Angebots- und Nachfragesituation, obwohl letzteres in Zeiten von Papiergold-Derivaten wahrscheinlich nur noch zweifelhafte Relevanz hat.
Der neuste Trump-Tweet oder politische Meldungen wie Neuigkeiten vom Handelskonflikt zwischen den USA und China, Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen, eine neue Runde in der Griechenlandkrise oder sogar Meldungen mit geopolitischer Brisanz, wie die russische Annexion der Krim oder die News von morgen: All das hat meistens durchaus kurzfristige Auswirkungen auf den Goldpreis, die langfristige Relevanz ist jedoch überschaubar.
„Politische Börsen haben kurze Beine“, heißt ein bekanntes Börsensprichwort, das auch auf den Goldpreis zutrifft. Natürlich spekulieren nicht wenige Trader auf steigende oder fallende Goldkurse im Kontext politischer Entwicklungen. Zu oft habe ich jedoch beobachtet, dass Anstiege im Goldpreis, die durch besorgniserregende wirtschaftliche oder politische Nachrichten hervorgerufen wurden, sich in der Regel nicht lange halten.