Wird Cannabis das neue grüne Wirtschaftswunder?
GoldGeldWelt Redaktion
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08.12.2021
Cannabis soll durch die Ampelkoalition künftig legalisiert werden. Dabei erscheinen die Steueraussichten sehr verlockend, das Marktpotential ist im wörtlichen Sinne geradezu berauschend. Zwei deutsche Unternehmen setzen heute schon auf ein Joint Venture.
Im sächsischen Ebersbach sitzt eines davon. Hier entsteht derzeit eine Fabrik von der ab Anfang nächsten Jahres deutsch produzierter Qualitätsstoff an die Apotheken geliefert werden soll. Cornelius Maurer, Chef des Unternehmens, hatte für sein Projekt in den letzten Wochen Anlass zur Hoffnung. Die Koalitionäre von SPD, FDP und Grünen sind sich selten so einig wie bei der Legalisierung von Cannabis. Zum Ärger von Oppositionspolitikern. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnt davor, mit einer Freigabe „sehr viele Menschen ins Unglück“ zu stürzen. Auch die Gewerkschaft der Polizei sieht es als problematisch an, Cannabis künftig mit Alkohol gleichzusetzen. „Es muss endlich Schluss damit sein, den Joint schönzureden“, teilte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, kürzlich der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ mit.
Die bisherige Verbotspolitik indes halten die Ampelkoalitionäre für gescheitert. Der Besitz, Handel und Anbau von Cannabis sind in Deutschland untersagt. Dennoch haben mehr als 25 Prozent der Deutschen zwischen 15 und 64 Jahren Statistiken zu Folge schon mindestens einmal gekifft. Nach Meinung des neuen Gesundheitsministers, Karl Lauterbach, solle der Stoff besser kontrolliert abgegeben werden als in zweifelhafter Qualität auf dem Schwarzmarkt verkauft zu werden.
Dieser ist riesig. Nach Schätzungen des Hanfverbandes konsumieren die Deutschen 200 bis 400 Tonnen Cannabis pro Jahr. Hier werden bis zu 2,5 Milliarden Euro jährlich umgesetzt. Hierbei profitiert jedoch hauptsächlich das organisierte Verbrechen. Staatliche Einnahmen werden hierbei nicht generiert. Laut einer Berechnung des Ökonomen Justus Haucap aus dem Jahre 2018 würde eine Deregulierung 2,7 Milliarden an Plus bringen. Dabei stünde die Steuer nicht einmal im Vordergrund. Allein die die Einsparung für Kosten bei der Strafverfolgung und Haftunterbringung beziffert Haucap auf über eine Milliarde Euro – die Kosten für Staatsanwaltschaften und Gerichte seine hier noch nicht einmal mit eingerechnet.
Schon jetzt setzen Unternehmer wie Maurer darauf, dass sich die Befürworter der Cannabislegalisierung durchsetzen werden. Maurer ist einer der Geschäftsführer der Firma Demecan. Das Unternehmen wurde von dem Ökonomen bereits 2017 zusammen mit einem befreundeten Arzt und einem befreundeten Juristen gegründet. Hierbei gehört das Berliner Start-Up zu den deutschen Pionieren im Anbau von medizinischem Cannabis. „Wir wollen was mit Mehrwert für die Gesellschaft schaffen“ erklärt Maurer. Derzeit haben in Deutschland lediglich drei Unternehmen eine Lizenz für den Anbau von Cannabis, eine davon ist Demecan.
Bei den anderen beiden Unternehmen handelt es sich um die deutschen Tochtergesellschaften der kanadische Konzerne Tilray (TSX: TLRY) und Aurora Cannabis (TSX: ACB). Beide milliardenschwer und börsennotiert. Diese bringen ihrerseits viel Geld und Erfahrung mit. Der Cannabis-Konsum wurde in Kanada bereits 2018 freigegeben.
Deutschland bedeutet für diese Unternehmen einen Wachstumsmarkt. Demecan, Tilray und Aurora dürfen derzeit mit 13 Lizenzen 2,6 Tonnen medizinisches Cannabis pro Jahr anbauen und ausliefern. Gleichzeitig hat die Bundesregierung für 100.000 Patienten eine Menge von 25 Tonnen eingeplant. Über 22 Tonnen des Medizinischen Hanfgrases werden also importiert. Neben den Kanadiern drängen vermehrt Zulieferer aus den Niederlanden auf den deutschen Markt.
Es geht hier um ein riesiges Geschäft. Allein in Europa könnten nach einer Schätzung des Marktforschungsunternehmen Brightfield 7,18 Milliarden Dollar mit medizinischem Cannabis umgesetzt werden. Der Handel für den Freizeitkonsum wird von einem Analysten der US-Investmentbank Piper Jaffray sogar auf 250 bis 500 Milliarden US-Dollar beziffert.
Die Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu betrachte. So kam es nach der Freigabe in Canada zu einem Überangebot. Viele Unternehmen aus der Branche gingen Konkurs. Einer der weltgrößten Cannabis-Hersteller, Canopy Growth (TSX: WEED) konnte seine Verluste zuletzt zwar begrenzen, fährt aber noch immer rote Zahlen ein.
Ein weiteres Unternehmen der Branche ist die Firma Storz & Bickel mit Sitz in Tuttlingen. Die Stadt auf der schwäbischen Alb nennt sich „Weltzentrum der Medizintechnik“. Hier werden medizinische Instrumente aller Art hergestellt. Storz & Bickel hat sich auf Verdampfer spezialisiert. Obgleich auch zum inhalieren von Heilkräutern konzipiert, wird in der Praxis jedoch meistens Cannabis konsumiert. Storz & Bickel profitierte von der Legalisierung in Kanada und mittlerweile 19 US-Bundesstaaten insbesondere von der Akzeptanz von Cannabis als Therapeutikum. Es gelang, den Verdampfer trotzt hoher gesetzlicher Anforderungen zu einem medizinischen Produkt zu machen. Das Tuttlinger Unternehmen wurde mittlerweile für 145 Millionen Euro vom kanadischen Konzern Canopy übernommen.
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