GoldGeldWelt Redaktion
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31.08.2021
Euro, Dollar, Edelmetall, Aktien – diese Werte kennt jeder, der an den Finanzmärkten versucht, Vermögen mit klugen Investments und unter Ausnutzung der Kurse zu mehren. Natürlich erleben auch Währungen, Unternehmenskurse und Rohstoffpreise ihre Auf- und Abschwünge; doch bei den konventionellen Werten stellen sich die Charts im Großen und Ganzen doch meist „rational“ dar. Ganz anders ein Trendprodukt, das zunehmend populärer wird: Krypto-Währungen. Deren „Markenzeichen“ ist neben begrenzter Menge ihre oft extreme Volatilität. Für die einen der Schlüssel zum Reichtum durch geschicktes Traden, für die anderen ein Scheinprodukt, das in den Giftschrank gehört. Die Statements aus der Finanzbranche jedenfalls zeigen: Bitcoin und Co. sind ein Thema, das polarisiert.
Der bekannte Hedgefonds-Manager John Paulson etwa sorgt aktuell mit einer gewagten Prognose für Furore. In einem Interview mit dem Wirtschaftsdienst Bloomberg hatte der Multimilliardär vorhergesagt, dass Kryptowährungen, so wörtlich, „auf Null gehen“ werden.
Buchstäblich „unberechenbar“: Haben Krypto-Währungen Zukunftspotenzial?
Dass die Finanzbrache eine derartige Behauptung nicht einfach als Schwarzseherei abtut, hat seinen Grund. Nicht zum ersten Mal nämlich hatte Paulson mit präzisem Gespür ein bedeutendes Marktgeschehen kommen sehen und für sich die richtigen Maßnahmen eingeleitet. So erahnte er das Platzen der amerikanischen Immobilienblase im Jahr 2008 und ging mit einem Verdienst von 20 Milliarden Dollar aus der Krise hervor.
Nun also die Krypto-Währungen. Nach Überzeugung des Hegdefonds-Stars dürften die Krypto-Währungen – ganz gleich welche, egal an welchem Handelsplatz – sich mit dem Nachlassen von Liquidität oder abflauendem Marktinteresse früher oder später als wertlos erweisen. Er rät daher Anlegern konkret von Investitionen in Krypto-Coins ab.
Seine pessimistische Haltung begründete Paulson damit, dass die kurzfristige Volatilität solcher „digitalen Vermögenswerte“ ein zu großes Risiko berge, Shortpositionen oder Gegenwetten zu platzieren. Krypto-Währungen, so hieß es weiter, hätten abgesehen von ihrer begrenzten Menge keinen inneren Wert. Auch das bedinge die Preisfluktuationen.
Die Anlagestrategie von Paulson fokussiert sich somit auf einen ganz konservativen Klassiker: Edelmetallinvestments in Gold.
Hedgefonds, Banken, Institute – Krypto-Währungs-Produkte werden en vogue
Nicht überall in der Hedgefonds-Szene stimmt man mit Paulsons Beurteilung überein. Ein großer Anteil der Top-Händler sieht in Bitcoin und Co. gerade aufgrund der Volatilität eine lukrative Möglichkeit, schnell viel Vermögen zu generieren. Das Kalkül besteht in der Ausnutzung von Kurs- oder Preisunterschieden an verschiedenen Börsen; ein Vorgehen, das sehr viel Geschick und rasante Reaktionszeiten voraussetzt. Für Profis eine Herausforderung.
So ist beim „Point 72 Asset Management“ des Multimilliardärs und bekannten Kunstsammlers Steve Cohen die Auflegung von Handelsfonds mit expliziter Fokussierung auf Kryptowährungen in Arbeit. Die Mitbewerber bei „Millennium Management“ von Israel Englander handeln bereits mit Krypto-Derivaten. Auch Hedgefonds-Koryphäen wie Alan Howard und Paul Tudor Jones mischen längst im Krypto-Sektor mit. Wie langfristig die Strategien dieser Akteure im Einzelnen ausgelegt sind, darüber lässt sich indes nur spekulieren.
Es sind allerdings nicht nur die privaten Hedgefonds, die sich den digitalen Währungen zuwenden. Auch institutionelle Player wie Citigroup und Goldman Sachs ermöglichen unter bestimmten Rahmenbedingungen ihren Kunden bereits Investments in Krypto-Produkte, Goldman Sachs etwa über Derivate, Citigroup demnächst mit einem Fonds. Bei JP Morgan haben Kunden gleich zu sechs Krypto-Währungsprodukten Zugang – und das, obwohl CEO Jamie Dimon sich, diplomatisch ausgedrückt, sehr kritisch über Bitcoin geäußert hatte.
Als Vorreiter im Bankensektor ermöglichte Morgan Stanley seinen Kunden den Zugang zum Krypto-Handel – und investiert zwischenzeitlich selbst. Erst vor wenigen Tagen floss eine Viertelmilliarde Dollar in den „Grayscale Bitcoin Trust“.
Krypto-Währungen – nein danke?
Andere namhafte Finanzgrößen sind hingegen voll auf Paulsons Linie. Kein Geringerer als Warren Buffett, Geschäftsführer und Vorsitzender von Berkshire Hathaway, bezeichnete Kryptowährungen wenig freundlich als „Rattengift“. Buffett besitzt keine Krypto-Werte und beabsichtigt wohl auch nicht, dies zu ändern. Der stellvertretende Vorsitzende von Berkshire, Charlie Munger, bringt neben der unberechenbaren Volatilität noch einen ganz anderen Aspekt in die Diskussion für und wider Krypto-Währungen ein. Er betonte deren fragwürdige Nützlichkeit für Kriminelle wie Entführer und Erpresser.
Kryptowährungen sind jedoch unzweifelhaft ein Produkt, mit dem gerade Kleinanleger überfordert sein könnten. Die Brokerfirma Charles Schwab warnt ihre Kunden vor den hochspekulativen Risiken und der hohen Volatilität und mahnt zur Vorsicht. Zwar ermöglicht das Unternehmen ein indirektes Engagement über sogenannte „Coin Trusts“. Es gebe aber, aus Perspektive der Firma betrachtet, keine befürworteten Methoden zur Bewertung der Kryptowährungen über deren puren Handelswert hinaus.
Mangelnde Regulierung
In den USA haben Kongress, Notenbank und die „Securities and Exchange Commission“ (das ist die Börsenaufsichtsbehörde) ein wachsames Auge auf die Krypto-Währungen. Dessen ungeachtet handelt es sich bei den digitalen Werten um eine bisher weitenteils unregulierte Branche. Um dem etwas entgegenzusetzen, schlug Jerome Powell, der Vorsitzende der Federal Reserve unlängst vor, eine eigene Krypto-Währung seitens der Zentralbank zu etablieren (und damit möglicherweise die existierenden Krypto-Coins zu unterbieten).
Auch juristisch gibt es Versuche, den Markt unter Kontrolle zu bringen. Mit dem neuesten Infrastrukturgesetz soll beispielsweise eine Verpflichtung geschaffen werden, nach der Krypto-Transaktionen dem IRS (dem „Internal Revenue Service“, das ist die Bundessteuerbehörde der Vereinigten Staaten) anzuzeigen sind. Verabschiedet ist dieser Vorstoß noch nicht, aber die Vorstellung, eine Regelung in das Krypto-Finanzsegment zu bringen, findet Befürworter.
Gary Gensler, Chef der US-Börsenaufsicht, kündigte beispielsweise an, dass dieses Ziel mit Priorität verfolgt würde. Auf dem Aspen Security Forum sagte er, es sei großer Schaden für viele Menschen zu befürchten, wenn all die Probleme rund um Bitcoin und vergleichbare Produkte nicht angegangen würden. Von einem Zeitplan oder Konzepten für konkrete Maßnahmen ist man allerdings bei der SEC noch entfernt.
Wie unberechenbar der Kurs einer Krypto-Währung sich zeigen kann, war 2020 besonders gut am Bitcoin zu beobachten. Von vergleichsweise moderaten 10.000 USD im Oktober 2019 kletterte die Währung (sicherlich auch gepusht durch die globale Unsicherheit rund um den COVID-19-Ausbruch) auf 60.000 USD im April, nur schon im Juli mit 30.000 USD ihren Wert zu halbieren. Zwischenzeitlich ist der Bitcoin wieder für um die 47.000 USD zu haben. Wo er nächsten Monat steht – niemand kann es seriös vorhersagen.
Anderes Beispiel: Eine etwas weniger prominente Währung wie der Dodgecoin konnte innerhalb einer Woche eine Wertsteigerung um 400 Prozent verzeichnen. Der Dodgecoin ist mit einem Gegenwert in „klassischer“ Währung (aktuell um die 23 Euro-Cent) weniger spektakulär als der Bitcoin (40.428,94 Euro am 31. August), bildet aber die chaotische Volatilität ähnlich eindrucksvoll ab.
Einer der Gründe für das Kurschaos ist nicht zuletzt der völlig unvorhersehbare und ebenso spontane Einfluss von wichtigen Wirtschaftsakteuren wie Elon Musk oder Mark Cuban. So haben in der jüngeren Vergangenheit Tweets und Aussagen von Musk (der zeitweise Bitcoin als Zahlungsmittel zum Kauf eines Teslas akzeptiert hatte) oder Cuban, der den Dodgecoin als Gegenwert für das Francise des NBA-Basketballteams Dallas Mavericks anerkannte, extreme Kursbewegungen ausgelöst.
Welche Ausmaße die Volatilität der Kurse und die Regulierungsansätze der Finanzbehörden künftig auf die Krypto-Coins haben werden und ob und wie Anleger die neuen Produkte sinnvoll und profitabel im Rahmen ihrer Investmentstrategien einsetzen können, wird die Zukunft zeigen. Vielleicht beweist John Paulson erneut Prophetie – oder der nächste Tweet aus dem Hause Tesla sorgt für neuen Aufschwung.