Zwei Anarchisten, eine Beauty-Queen und Selenskyjs Wahlkampfhelfer

Wie Kryptowährungen in der Ukraine helfen

GoldGeldWelt Redaktion - 19.04.2022

„Es ist nicht so, dass ich mich auf so etwas vorbereitet hätte, aber wenn man unter einem autoritären Regime lebt, ist es besser, wenn man von den örtlichen Banken unabhängig ist.“ Die jüngere Vergangenheit kennte viele Gelegenheiten für so einen Satz. Zum Beispiel den November 2021 als die schwächelnde türkischen Lira nach der Forderung des Landespräsidenten Tayyip Erdogan nach Zinssenkungen ins Bodenlose stürzte. Oder 2015 in Aserbaidschan als die Währung des vom Erdölexport abhängigen Landes gemeinsam mit dem Erdölpreis auf Talfahrt ging. De facto stammt sie allerdings von Andrey – einem russischen Anarchisten.

Ein russischer Anarchist hilft mit Kryptowährungen in der Ukraine

„Jedes Volk, und insbesondere das russische Volk, wird immer die wahren Patrioten von dem Abschaum und den Verrätern unterscheiden können, um diese einfach auszuspucken wie eine Mücke, die versehentlich in ihren Mund geflogen ist,“ verkündete Putin in einer Fernsehansprache am 21. Kriegstag. Bis dahin hatten bereits rund 200.000 Russen ihrem Land und vor allem ihrem Präsidenten den Rücken gekehrt. Ein Großteil reiste dabei mit dem Zug nach Finnland. Die Züge aus St. Petersburg nach Helsinki waren über Wochen hinweg ausgebucht, doch die 400 Kilometer lange Strecke für das Zugunternehmen Allegro kaum profitabel. Die Waggons Richtung Russland blieben nahezu leer. Am 27. März wurde die Zugverbindung eingestellt, da diese, so die finnische Europaministerin Tytti Tuppurainen, nun nicht mehr angemessen sei. Zu den tausenden Russen, die bis dato den Weg Richtung Westen nach Finnland suchten, gehört vor allem die Elite des Landes – Wissenschaftler, Gründer, Computerspezialisten.

Andrey ist einer von ihnen. Am 4. Kriegstag verließ er sein Heimatland und mit St. Petersburg auch die Stadt seiner Geburt. Alles, was der Front-End-Entwickler an diesem Tag bei sich trug, waren ein paar T-Shirts, ein Laptop und ein Hardware-Wallet mit angesparten Stablecoins. Beruflich hat er schon einige Erfahrungen mit der Blockchain-Technologie gesammelt und aus Eigeninteresse eben auch mit Kryptowährungen. „Ich könnte wahrscheinlich keinen Smart Contract schreiben, aber ich weiß sicher, wie man Kryptowährungen im täglichen Finanzgeschäft einsetzt", sagt er. „Ich habe Erfahrung mit dem Abheben von USD₮ (US-Dollar-Version des Stablecoins Tether) hier und da, und ich habe es nie über Bankkarten gemacht.“ Während der Rubel abstürzte, behielt Tether seinen Wert und Andrey konnte die Stablecoins benutzen, um Flugtickets für seine Reisen innerhalb Europas zu kaufen.

Doch nicht nur ihm helfen die Coins. Andrey, dessen Vater im Süden der Ukraine geboren und aufgewachsen ist, hat wie viele andere in Russland Freunde im Nachbarstaat. „Einige von Ihnen schlafen in Luftschutzkellern unter Artilleriebeschuss. Meine Probleme sind nichts im Vergleich zu Ihnen.“ Andrey beschloss mit Kryptowährungen in der Ukraine zu helfen.  Mit USD₮ war es ihm möglich die dortige Zivilbevölkerung zu unterstützen, er musste nur vor Ort jemanden finden, der den Stablecoin in Ukrainische Grywna umtauschen konnte.

Eine Anarcho-Punkerin verkauft NFT der ukrainischen Flagge für 7,1 Mio. Dollar

Nadya Tolokonnikowa

Andrey selbst nennt sich, wie viele Kryptoenthusiasten, einen Anarchisten. Eine Bezeichnung, die wohl auch auf Nadya Tolokonnikowa zutrifft. Berühmtheit erlangte sie, nachdem sie am 21. Februar 2012 gemeinsam mit anderen Mitgliedern ihrer Band Pussy Riot eine Protestaktion in der Christ-Erlöser-Kathedrale, dem zentralen Gotteshaus der Russisch-Orthodoxen Kirche, durchführte. Das Video dieses nicht genehmigten Punk-Band-Auftritts wurde im Nachgang mit Aufnahmen aus einer anderen Kirche ergänzt und mit einer anderen Tonspur versehen auf YouTube hochgeladen. Deutlich zu hören sind in dem Musikvideo die Worte „Mutter Gottes, Jungfrau, verjage Putin“ und „der Patriarch glaubt an Putin, obwohl er an Gott glauben sollte.“ Worte, welche der Bandgründerin sowie zwei ihrer Mitstreiterinnen zwei Jahre Haft wegen „Rowdytums aus religiösem Hass“ einbrachten.

„Dieser Planet ist mein Zuhause. Ich war schon immer ein Anarchist. Ich bin kein großer Fan von Grenzen oder Nationalstaaten," bekundet die 32-jährige.  Der Kreml sieht in Tolokonnikowa, die sich selbst auch als „Nomadin von Natur aus“ bezeichnet seit Dezember einen „ausländischen Agenten“. Aus Angst entdeckt zu werden gibt Sie nur über das Internet Interviews, ohne ihren Aufenthaltsort preiszugeben.

Als Putin am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte, gründete sie zusammen mit anderen Akteuren aus der Welt der Kryptowährungen die Ukraine DAO (dezentralisierte autonome Organisation) und veröffentlichte einen NFT der ukrainischen Flagge. Das erklärte Ziel der DAO ist es mit Kryptowährungen in der Ukraine zu helfen.  Für das kollektive Eigentum am NFT der ukrainischen Flagge konnten Gebote abgegeben werden. Innerhalb von nur fünf Tagen wurden so 7,1 Millionen Dollar für die Unterstützung mit Kryptowährungen in der Ukraine gesammelt.

Eine Beauty Queen schickt Kryptowährungen in die Ukraine

Viktoria Fox könnte fast so etwas sein wie der Gegenentwurf von Tolokonnikowa. Zumindest darf bezweifelt werden, dass die ultrafeministische Anarcho-Punkerin, die bei ihren Auftritten meist ihr Gesicht hinter einer knallfarbigen Sturmhaube verbirgt, sonderlich viel von Schönheitswettbewerben hält. Viktoria Fox wurde hingegen vor zwei Jahren gleich zweimal gekrönt. Erst wurde sie Miss Beverly Hills und dann erweiterte sie ihr Schönheitsköniginnenreich auch noch auf Oregon. Doch hinter der Fassade von Glamour und Make-up verbirgt sich eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die bereits 2016 Polaris Capital, eine auf Kryptotechnologie spezialisierte Investmentfirma, gründete.

Viktoria Fox "Botcoin Queen" auf dem Cover einer ukrainischen Modezeitschrift. Quelle: Viktoria Fox Instagram Kanal

Als der Krieg am 24. Februar ausbrach erhielt die Amerikanerin mit ukrainischen Wurzeln erschütternde Nachrichten aus dem Heimatland ihrer Eltern. Geldautomaten wurden nicht mehr beliefert. Banken schlossen. „Nach zwei Wochen Krieg hatten meine Verwandten, wie die meisten Familien, kein Bargeld mehr“, rekapituliert Fox. Seitdem schickt sie ihnen Kryptowährungen in die Ukraine. Bitcoin (BTC) dienen ihnen dort als Bargeldersatz für Händler und Mitbürger – als ein Mittel, um fast alles zu bezahlen. Auch zu Ihrem Onkel schickte sie Kryptowährungen in die Ukraine. Nach Charkiw, in jene Stadt, die am 28. Februar mit russischer Streumunition attackiert wurde und in der am 18. März Borys Romantschenko, der in der Zeit des Nationalsozialismus vier Konzentrationslager überlebte, nach russischem Beschuss verstarb. Viktorias Onkel konnte Charkiw verlassen. Er fuhr sechs Stunden in einem Taxi nach Westen. Sechs Stunden, die vielleicht sein Leben retteten, bezahlt mit Bitcoin.

Ein politischer Akteur ermöglicht das Spenden von Kryptowährungen für die ukrainische Armee

Mychajlo Fedorow ist sicherlich kein Anarchist und auch kein Monarch. Der Spezialist für Werbung im Internet und den sozialen Netzwerken gründete im Mai 2013 seine eigene Nachrichtenagentur und war während des Präsidentschaftswahlkampfes in der Ukraine 2019 für die digitale Regie des Wahlkampfteams von Wolodymyr Selenskyj verantwortlich. Während dieser Zeit wurde er der Öffentlichkeit im Falle eines Wahlsiegs Selenskyjs als zukünftiger Verantwortlicher für die Digitalisierung der Ukraine vorgestellt. Entsprechend wurde er am 29. August 2019 Stellvertretenden Ministerpräsident der Ukraine und Minister für digitale Transformation.

„Elon Musk! Während sie versuchen, den Mars zu kolonialisieren, versucht Russland, die Ukraine zu besetzen! Während Ihre Raketen aus dem Weltraum landen, greifen russische Raketen die ukrainische Zivilbevölkerung an! Wir bitten Sie darum, die Ukraine mit Starlink-Terminals zu versorgen.“ Mit diesem Tweet sorgte Fedorow kurz nach Kriegsbeginn für Aufsehen.  11 Stunden später kam die positive Antwort. Russische Medien zensieren wollte Musk allerdings nicht.

Fast zur gleichen Zeit versendete Fedorow einen weiteren Tweet, diesmal vom Regierungsaccount @ukraine aus. Dort wurden die Adressen von Krypto-Wallets für Kryptowährungen in der Ukraine gepostet.  Bitcoin, Ethereum und Tether, sollten gespendet werden, um damit die ukrainische Armee zu unterstützen. Mittlerweile werden von Regierungsseite 16 Kryptowährungen in der Ukraine akzeptiert und mehr als umgerechnet 60 Millionen US-Dollar wurden bislang dorthin übermittelt.

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